Spielbericht

27. Spieltag - 2. Bundesliga - Saison 2000/2001
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC
1:1
1. FC Nürnberg
1. FC Nürnberg

Bitti mit Gewalt gegen die Trostlosigkeit

von Frank Neubert

Ja, da war sie nun - die Partie zwischen dem Tabellenletzten aus Chemnitz und dem Tabellenersten aus Nürnberg. Eigentlich eine klare Angelegenheit, da der CFC ja noch nicht mal gegen Teams aus dem Tabellenkeller mehr Punkte holen konnte. Oder doch nicht, weil der CFC eigentlich nie so richtig schlecht ausgesehen hatte und einfach nie das Glück einmal für sich in Anspruch nehmen konnte !? Solche Fälle hat es immer wieder gegeben, das David dem Goliath ein Bein gestellt hat - und wenn der CFC schon nicht gegen die unmittelbare Konkurrenz punkten kann, warum nicht gerade gegen den Überflieger!?
Und noch etwas ließ bißchen Mut aufkommen - beim CFC konnten Bittermann, Sobiech und Holetschek wieder mitwirken, währenddessen beim FCN Trainer Klaus Augenthaler auf immerhin 6 Stammkräfte verzichten mußte. Insgesamt 4700 Zuschauer wollten die Partie live miterleben, davon gut 1500 Fans aus dem Frankenlande - Saisonrekord im Gästeblock und endlich mal ein Team, welches den CFC-Auswärtsmob 1:1 beantworten konnte. Beim Einlaufen der Mannschaften zeigte die Südkurve eine gelungene Choreografie mit blauen Plastebahnen und dazwischen hochgehaltenen weissen Papiertafeln (Bild, Quelle: Härtel). Die Nürnberger hatten dafür weissen Rauch im Gepäck, welcher während des gesamten Spieles immer wieder mal aufsteigen sollte und die Vermutung zuließ, das im Gästeblock tonnenweise Nürnberger Würstchen angegrillt wurden.

Mit dem Anstoss zur ersten Halbzeit wurde die Rollenverteilung auf dem Platz auch gleich brav eingehalten. Der Aufstiegsanwärter zog das Spiel sofort an sich und der Abstiegskandidat Nummer Eins schaute sich erstmal in Ruhe an, wie man erfolgreich Fussball spielt. Im Mittelfeld wurde hier seitens des CFC einfach nicht energisch genug dagegengehalten, so daß sich die Partie mehr und mehr in Richtung CFC-Tor verlagerte, wo dann bei Ballbesitz der Himmelblauen einige gute Konter gefahren wurden. Trotz der leichten Feldüberlegenheit des FCN hatte man aber nie das Gefühl, das der CFC in der Abwehr (wie so oft) ein Schwimmfest veranstalten würde - im Gegenteil, der wieder genesende Holetschek spielte einen souveränen Liberopart, und vor allem die engere Abwehr mit Schmidt und Mehlhorn hatte heute einen sehr guten Tag erwischt. In dieser Verfassung können beide Akteure für einen Neuanfang in der Regionalliga wichtige Stützen sein.
Die erste Chance für den Favoriten dann in der 17. Minute - Kos zieht aus der Distanz ab und knapp neben dem linken Pfosten zischt die Kugel ins Toraus.
Das Spiel war nicht richtig gut, so daß den Fanblocks viel Zeit für eigene Aktivitäten blieb - die Nürnberger zündelten immer mal wieder bißchen Rauch, welcher dann wie eine Wolke über dem Gästeblock stand. Die CFC-Fans waren sehr sangesfreudig aufgelegt und hatten ein paar lustige Transpis vorbereitet. So glänzten die Chemnitzer Emigranten mit einem Spruchband durch den ganzen Block, auf welchem stand: "Wir grüßen Die Schnarchzapfen vom Valznerweiher."
Der Spielverlauf blieb - der CFC zu reserviert und der FCN zu unkonzentriert, um seine Überlegenheit im Mittelfeld auch ergebnismässig umzusetzen. Dann die erste richtige CFC-Chance: Auf der linken Seite setzt sich der wieder sehr engagierte Kujat durch, kommt aber zuweit zur Grundlinie, und schiesst von dort an Köpkes Aussennetz, anstatt auf den in der Mitte frei postierten Tetzner zu spielen. Wieder die alte Leier - Aufwand und Nutzen stehen beim abwanderungswilligen Kujat einfach in keinem vertretbaren Verhältnis - schade eigentlich.
Die Fans fanden so langsam Gefallen an der Partie und probten neues Liedgut. Kultsong könnte demnächst "Wir steigen ab und wieder auf" werden, aber auch neue Kreationen anlässlich des Spieles "Ein bisschen schwarz, ein bisschen rot, und du siehst aus wie ein Idiot" ließen die triste CFC-Situation mit einem Lächeln kurz vergessen machen.
Und dann kam endlich die altbekannte Situation, wo der Gegner auf der Fischerwiese in Führung geht. In der 40. Minute schaut sich Oswald seelenruhig an, wie sein Gegenspieler Stoilas von rechts flankt, und in der Mitte hat Pavel David keine Mühe, das Leder zum 0:1 in die Maschen zu köpfen. Die Führung war zweifelsohne verdient, aber letztendlich kam sie doch zu dieser Spielphase etwas überraschend. Die FCN-Fans feierten ausgiebig die Führung, wobei ein gezündeter Bengalo samst Doppelhaltern eine hübsche Stimmung im Gästeblock rüberbrachte. Dann war Pause und mal wieder Zeit zum Wurst-Frustessen.

Nach der Pause drehten sich die Vorzeichen der Partie. Die Cluberer waren nun mehr auf Defensive bedacht, um den Vorsprung nach Hause zu schaukeln oder noch ein Kontertor zu platzieren, und der CFC wachte endlich aus seiner Lethargie auf und schickte sich an, den Nürnberger Kasten zu bestürmen. Das klappte nach einer Weile auch ganz gut und in der 62. Minute ergab sich die erste echte Torchance in der zweiten Halbzeit. Jendrossek, Podunavac und Mehlhorn dürfen nacheinander auf Köpkes Tor schiessen, wobei Mehlo nur den im Abseits stehenden Kujat tangiert. Aber weiter ging es mit himmelblauen Angriffsfussball - die beste CFC-Chance des Spieles sollte folgen. Der Totalausfall Lakies hat doch einmal eine Eingebung, spielt Kujat an, welcher sich wunderbar auf der rechten Seite durchsetzt und Köpke narrt - der folgende Schuss ist aber nur eine bessere Rückgabe und kann von Kos zur Ecke geklärt werden. Und weiter ging es - die Ecke segelt herein, Köpke erwischt den Ball nicht und Kujat haut die Kugel aus spitzem Winkel halbhoch in die Maschen - 1:1 - denkste, denn der Schieri entschied auf Foul an Köpke im 5-Meter-Raum. Sicher eine vertretbare Entscheidung, aber irgendwie sympthomatisch für die Situation des Tabellenletzten.
Auch die Fans wachten jetzt erst richtig auf und intonierten eine beachtliche Block-Uffta. Auf die Pro15:30-Plakate der FCN-Fans konterte man locker mit "Wir 14:00, Ihr 15:30", nur eine Laola-Welle wollte nicht recht gelingen. Lustig auch das sofortige Einstimmen der CFC-Fans in die Schlachtgesänge der Franken, welche sich mit dem Singsang "Zweite Liga, nie mehr, nie mehr, nie mehr" alleine wähnten und feststellen mussten, das der Galgenhumor der Himmelblauen locker ausreicht, dies einfach mitzusingen. Und es sollte mit Chemnitzer Chancen weitergehen - Oswald dringt in den Strafraum ein, wird von Kos gestellt und dieser kommt zu Fall - Oswald stochert nach den Ball und Kos nimmt zur Abwehr eindeutig die Hand zu Hilfe. Kein Pfiff vom Schieri, warum auch, es spielt ja nur der Letzte gegen den Ersten. Alles deutete nun darauf hin, das die nächste Heimniederlage nur eine Formfrage sei, auch wenn Karkuth noch einmal alles versuchte und mit Podzus einen dritten Stürmer brachte. Im Gegenteil, der FCN hatte in der 80. Minute eine gute Konterchance, aber diesmal ist Ananiew gegen den Torschützen David besser auf der Hut und kann zur Ecke klären.
Und so brach die 89. Spielminute an - ein Angriff des CFC wird durch Podunavac mit einem Knaller Richtung Köpke abgeschlossen - dieser kann nur abklatschen und das Leder trudelt zu Kluge. Der Youngster sieht den heranstürmenden CFC-Kapitän, legt ihm den Ball vor, und Bittermann zieht mit allen Frust dieser verkorksten Saison voll durch - und dieser 25m-Knaller kracht genau neben dem rechten Torpfosten ins Nürnberger Tor. Köpke registrierte den Einschlag nur noch regungslos aus 2m Entfernung. Riesenfreude bei den Himmelblauen über dieses wertvolle 1:1 - ein Berg von Chemnitzern türmte sich über dem CFC-Urgestein, und für alle Fans wurde sichtbar, wie sehr sich das von den Medien totgesagte Team über dieses Tor freute.
Dann galt es noch die letzten 3 Minuten schadlos zu überstehen, aber beide Seiten wollten sich nun nicht mehr weh tun und so blieb es am Ende bei der verdienten Punkteteilung auf der Fischerwiese. Zum Schlusspfiff dann großer Jubel unter den Spielern und den Fans, welche das Remis gegen den Tabellenersten wie einen Sieg feierten. Endlich war der CFC für seine couragierten Heimauftritte auch einmal belohnt worden, und stand nicht, wie so oft, am Ende zwar mit des Gegners Lob, aber ohne Punkte da. Zum Schluß ließen es sich viele der himmelblauen Spieler und sogar Trainer Karkuth nicht nehmen, bei den Fans zum Abklatschen am Stadionzaun vorbeizukommen. Allen war eine große Erleichterung anzumerken, den Bock der bösen punktelosen Serie endlich einmal umgestossen zu haben.

Fazit: Der CFC kann doch noch punkten. Vielleicht war dieses Remis endlich das Fanal, in dieser Saison noch ein paar Punkte zu sammeln, um wenigstens das zweifelhafte Image des schlechtesten Absteigers aller Zeiten ablegen zu können. Aber auch für Trainer und Präsident bedeutet dieser Achtungserfolg endlich wieder etwas Ruhe im Verein, da die extrem lange Negativserie schon zu bohrenden Fragen bei Sponsoren und Medien geführt hatte. Es wäre zu wünschen, das die himmelblauen Kicker nun wieder etwas Selbstvertrauen aus diesem Teilerfolg mit in die nächsten Partien nehmen, um ihre Fans wenigstens noch etwas versöhnlich zu stimmen und ein bißchen positives Denken mit in die Regionalliga nehmen können.

Wertung: 2,5

Beste Himmelblaue: Schmidt, Bittermann, Mehlhorn

27. Spieltag - 2. Bundesliga - Saison 2000/2001
Freitag, 30. März 2001, 19:00 Uhr
Fischerwiese, Chemnitz
Zuschauer: 4.700
Schiedsrichter: Schmidt (Stuttgart)
Chemnitzer FC
T Ananiev
A HoletschekGelbe Karte (77. Podszus)
A Schmidt
A Mehlhorn
M Bittermann
M Kluge
M Sobiech (40. JendrossekGelbe Karte)
M Oswald
M Tetzner (58. Podunavac)
S Kujat
S Lakies

Trainer: Karkuth
1. FC Nürnberg
T Köpke
A Günther
A Kos
A Johansson
A TavcarGelbe Karte
M Junior (71. WeiglGelbe Karte)
M Ogungbure
M Stoilas
M Krzynowek
S Beliakov (81. Hobsch)
S David

Trainer: Augenthaler
Tore
0:1 David (39.)
1:1 Bittermann (89.)