Verl: Chemnitzer FC leistet uneigennützig Aufbauhilfe West
von Frank Neubert
Das die geilste Stadt der Welt irgendwie cleverer als die Anderen ist, wissen wir ja, schließlich sind wir ja auch eine Stadt mit "Köpfchen". Letzte Woche stellte sich nun gar heraus, daß unsere Väter beim Flußbegradigen irgendetwas anders als die Anderen gemacht hatten, da die Wassermassen respektvoll unter dem Niveau des Falkeplatzes blieben und somit uns und dem Nischel nasse Füsse erspart blieben. Lohn dafür war die Reise nach Verl, nachdem fast der komplette Spieltag im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser gefallen war. Wahrscheinlich hatte der CFC aber irgendetwas falsch verstanden, vielleicht lag es auch an den vielen Hilfskonvois, die auf der A4 gen Osten rollten - jedenfalls leistete der CFC in Verl völlig uneigennützig Aufbauhilfe West und ging himself nach 90 min Spielzeit bis Oberkante Oberlippe baden. Aber der Reihe nach...
Nach dem guten Start des CFC und dessen zweiten Tabellenplatz sollten nun auch beim punktelosen Schlußlicht in Verl fleißig Punkte gesammelt werden - auch wenn es viele himmelblaue Sorgenfalten wegen der Ausfälle im Abwehrbereich gab. Flucht nach vorn hieß die Devise und Schulle bot auch 5 etatmäßige Stürmer auf, allerdings halfen Meissner und König in Abwehr und Mittelfeld mit.
Vom lustigen himmelblauen Völkchen hatten sich 150 Abgeordnete in Verl eingefunden. Zumindest war diese Anzahl im Gästeblock versammelt - wie hoch die Anzahl der Verirrten und Vermissten war, konnte nicht genau ermittelt werden. Auf jeden Fall hatte die Weltstadt in Ostwestfalen, eingekeilt zwischen den Vororten Paderborn und Bielefeld, einen Anmarschweg mit gehobenem Schwierigkeitsgrad zu bieten: Auf der Hauptstraße beachte man ein unscheinbares Hinweisschild des örtlichen Pizza-Services, biege links in dessen Hof, laufe an der Wurstkuchenbäckerei höchstpersönlich vorbei, überquere im Hinterhof deren Miniparkplatz und - ei gugge da - man steht vor dem Eingang zum "Stadion an der Poststrasse". Gigantisch.
Unter den 1054 zusammengetriebenen Zuschauern fand man auch alte Bekannte wieder - so zum Beispiel den dicken Robert, der letztes Jahr noch fleißig Kassenrollen vom Rasengrün heruntersammeln durfte. Nunmehr zum Oberordner befördert, muß er sich jetzt darum kümmern, daß kein böser Gästefan über die chinesische Mauer von Verl, den bauchhohen, mit Werbung beplankten, Hornbach-Doppelstahlrohrzaun hüpft bzw. fällt. Beyerstraße rulez...
Zu Beginn des Spiels stieg eine hübsche bunte Rauchsäule in die Luft, die sich in der Luft mit blauen und weißen Papierrollen vereinigte und ein farbenfrohes Bild in den Himmel über Verl zeichnete. Auch die Chemnitzer Leibchenträger machten sofort viel Dampf und versuchten, die Flucht nach vorn in zählbare Resultate umzusetzen. Keine drei Minuten waren vergangen, als die versammelte himmelblaue Gemeinde auch schon torjubeln durfte - nach Ecke von Tchipev stand Jan Schmidt goldrichtig und erzielt per Flachschuß das 1:0 für den CFC - fein gemacht! Nix da, sagte der Schieri und erkannte das Tor wegen eines angeblichen Remplers im Strafraum ab, den nur er selbst gesehen hat. Vielleicht hatte er auch wegen des fast ansatzlosen Überganges von Spielfläche zu Stehplatz nur erkannt, daß in der zweiten Reihe von unten lediglich der Wiesen-Sepp die Acker-Froni leicht in die Seite geknufft hatte. Nur 3 Minuten später - der CFC mit Freistoß im Mittelfeld: Fröhlich führt aus, der Ball segelt bis auf den Kopf von König - gehalten - Zedi setzt energisch nach und schießt zum (wirklichen) 1:0 für die Himmelblauen ein. Lautstarker Jubel im Gästeblock, genau so hatte man sich das gewünscht und vorgestellt.
Der wohlinformierte Fan ahnt sicher, was jetzt kommt - genau - nach der Führung zog man sich dezent zurück und ließ die Jungs von der anderen Seite ihr Tagewerk verrichten. Unterstützung fanden die Verler dabei auch beim Schieri, der ziemlich fleißig mithalf, Standardsituationen vor dem CFC-Tor zu schaffen. Fünf Gelbe in der ersten Halbzeit, davon 0 für Verl und 3 davon innerhalb von 5 Minuten - Hut ab, du kleines grünes Monster! Trotz optischen Übergewichtes blieben die Verler aber harmlos, gefährlichste Aktion war dabei noch ein 25m-Schuß von Siedschlag, der unterwegs verhungert und von He-Man lässig mit der Schuhsohle gestoppt wird.
Der Club übte sich im Kontern, erst rast König mit einem weitem Schlag von Göhlert auf und davon und kurz darauf versuchen sich Fröhlich und Krieg im doppelten Doppelpass - in beiden Fällen wird das Leder knapp neben das Tor gesemmelt *grmpf*. Dann der große Auftritt von Grabanowski (jaja, der Schieri!): Verl mit guten Angriff über rechts, Flanke nach innen und Gockel köpft im Zweikampf mit Göhli neben das Tor. Ein Pfiff - alle gucken - und es gibt Elfmeter. Kopfschütteln und Wut unter den Himmelblauen, die chinesische Mauer im Gästeblock wankt - und Schrieversmann verwandelt unbeirrt zum 1:1-Ausgleich. Mein Gott, was für ein Geschenk!
Bis zur Pause gab es auf beiden Seiten keine weiteren Großchancen mehr und es blieb bei der leichten optischen Überlegenheit der Verler - womit rein nach Spielanteilen das 1:1 nicht unverdient war und zurecht auf der nichtvorhandenen Anzeigetafel geistig geschrieben stand.
In der Pause wurde dann eine leckere Bratwurst abgefasst, die wirklich vom Allerfeinsten und eine echte Empfehlung war. Bei der zweiten Wurst *yeah!* wurde dann das erstaunlich dicke Stadionheft (48 Seiten!!) gewälzt, wo wirklich Alles und Jeder in und um den Ort aufgeführt wurde. Wenn der Hund morgens mit grünem Fell aufwacht oder die Kuh ein Furunkel hat - hier steht drin, wer hilft und wie das Leben danach weitergeht.
Zweite Halbzeit - und der CFC kam mit viel Elan aus der Kabine. Vor allem auf den Außenbahnen kamen jetzt über Meissner und Fröhlich mehr Impulse und das Mittelfeld nahm den Kampf besser an. Auch der Schieri wußte jetzt eher zu gefallen und pfiff ab und zu Freistoß für die Guten. In der 55.Minute setzt sich Fröhlich gekonnt in der Mitte durch und bedient den rechts startenden Demir. Der Pass kommt an und die neue Torfabrik des CFC netzt aus spitzen Winkel zum 2:1 für die Himmelblauen ein. Riesenjubel in der Gästekurve und freudentrunkene "Spitzenreiter"-Gesänge.
Dann kam die Zeit der toten Chancen und die der grauen Haare bei den Fans. Verl im Vorwärtsgang und Fernschuß von Schlösser, aber Hiemann klärt mit einer gutaussehenden Flugparade. Auf das "Ah" und "Oh" der Einheimischen folgt aus dem Gästeblock prompt der altbewährte "Hurra, das ganze Dorf ist da"-Singsang. Jetzt aber der CFC - Meissner mit punktgenauer Flanke auf Krieg, doch sein Schuß landet am herausstürzenden Torwart *haarerauf*. Noch 15 Minuten zu spielen. Demir mit Flanke von rechts, Krieg angelt sich die Kugel, umkurvt den Goalie und nagelt die Pille gnadenlos an die Latte *jaul*, der Ball bleibt im Spiel und Fröhlich setzt die Kugel aus 5 Metern im Hechtflug neben das leere Tor *kotz*...
Der Club hätte mittlerweile mit 3 oder 4 Toren Unterschied führen müssen, aber es sollte einfach nicht sein. Na gut, was soll's, am Ende zählen die 3 Punkte - dachten alle und hätten jeden ausgelacht, der noch auf ein Tor der Verler gewettet hätte. Aber es sollte anders kommen - ganz anders sogar. Biermann verliert im Mittelfeld den Ball, dieser wird nach vorn gekloppt, alle schauen zu und auf einmal steht Milde allein vor He-Man und kann sich die Ecke aussuchen - 2:2 in der 89.Minute! Blankes Entsetzen unter den CFC-Fans und verdutzte Glücksseeligkeit beim SCV. Es sollte noch dicker kommen - 93. Minute - die Ordnung auf dem Spielfeld war total im Eimer und der Pegelstand der CFC-Abwehr vermeldete komplett Land unter. Verl greift zum letzten Mal an - ein Flachschuß von links zischt in den Strafraum und klatscht an den rechten Pfosten. Fröhlich prostestiert an der Linie herum, ein Verler angelt sich die Kugel und die Ölgötzensammlung um Hiemann, Schmidt, Göhlert und Zedi paßt auf, wie Milde in der Mitte bedient wird und keine Mühe hat, zum 3:2 für die Eingeborenen einzulochen. $%()=/& !!! WEQFRV !!! S§&H$/ !!!
Es gibt keine Worte, um dieses Gefühl zu bescheiben, was sich jetzt in der Gästekurve breit machte - wenn schon das 2:2 wie blankes Entsetzen aus dem Nichts kam, könnte man das 3:2 vielleicht mit entsetzlichem Entsetzen beschreiben, aber auch das trifft es noch lange nicht. Fassungslosigkeit, Wut, Zorn - alles auf einmal. Die Ordner hatten jetzt schwer zu tun, die Erstürmung des Platzes zu verhindern, aber "Tanne" von der Südkurve half fair und cool mit, die eifrigsten himmelblauen Jungs wieder hinter den Zaun zu befördern. Auf dem Rasen waren wohl ähnliche Gefühle vorhanden, da sich Paule Fröhlich wegen Meckerns noch die gelb-rote Karte einfing und dem CFC somit ein weiteres Unglück bescherte. Schluß, Aus, Ende...vorbei...
Trotz der bitterlichen Enttäuschung schlichen die Spieler noch bei den mitgereisten Fans vorbei und Ingo Walther brachte sogar ein paar entschuldigende Worte über die Lippen. Die Enttäuschung war den Jungs wirklich im Gesicht abzulesen und so hielten sich die meisten Fans auch mit markigen Sprüchen zurück - eher im Gegenteil - man konnte ziemlich oft den Satz "Kopf hoch - weiter geht's" hören.
Nachschlag (statt eines gefrusteten Fazit's): Da sich der Autor des Spielberichtes gut vorstellen kann, wie sich jetzt auch der daheimgebliebene CFC-Fan voller Frust auf dem Boden windet, sei eine nette Geschichte angefügt, die auch bei den Heimreisenden für das erste Lächeln nach dem Super-GAU zu Verl gesorgt hat: Abfahrt Guxhagen - Salmonellentreff McDonald. Bestellt, Bezahlt, Aufgemacht. Und Abgelacht! Scheinbar hat der amerikanische Fast-Food-Riese jetzt die "PISA-Studie im Pappbecher" oder den "Idiotentest im Vorbeifahren" erfunden - oder wie soll man nachstehende Frage/Antwort-Spielchen sonst deuten!?
Worin werden die knusprigen Pommes Frites bei McDonald's frittiert?
A) In geheimer Abstimmung mit 2/3-Mehrheit
B) In 100% Pflanzenöl
C) Ich nehme den Joker
Die richtige Antwort lautet B !!
Was hat die Zeitschrift Öko-Test dem McRib bestätigt?
A) Die mittlere Reife
B) Die Verwendung von "hochwertigen Schweinefleisch"
C) Darf ich die Frage noch einmal lesen?
Die richtige Antwortet lautet B !!
Wohl bekomm's - fress dich intelligent - bei deinem McDoof!
Wertung: bis 85. Min: 2,5
Beste Himmelblaue: Walther, Zedi, Fröhlich
Pressestimmen
Freie PresseFröhlich: Vorne wie hinten ein einziger Kindergarten "
"[..] Die Sachsen dominierten die Begegnung lange Zeit nach Belieben, vergaßen indes die vielen klaren Gelegenheiten zu nutzen. [..] Als der Unparteiische Holger Grabanowski, der oft einseitig gegen die Sachsen entschied, den Verlern zu einem umstrittenen Elfmeter verhalf, war die Begegnung wieder offen[..] So aber wurden die letzten Minuten für die Chemnitzer zu einem schlimmen Albtraum. [..]
Neue Westfäliche (I.)Glücksgefühle mit Fußballgott"
"So viel Glück verdient nur der Tüchtige. Und tüchtig waren die Regionalligafußballer des SC Verl. Obschon bereits 86 Minuten in praller Hitze gespielt waren, obwohl sie gegen den klar besseren Chemnitzer FC seit der 55. Minute mit 1:2 zurück lagen und seitdem keine einzige Torchance herausgespielt hatten, und obwohl die vierte Saisonniederlage und der nächste psychologische Tiefschlag besiegelt schienen, kämpften sie weiter um den Ausgleich. Als der Tino Milde in der 87. Minute tatsächlich gelang, schien das Glück vollkommen. Doch manchmal meint es der Fußball noch besser mit den Tüchtigen. Zwei Minuten später erzielte Milde sogar den 3:2-Siegtreffer[..]
Neue Westfäliche (II.)15 gute Minuten vor der Pause und die fulminante Schlussphase gehörten dem SC Verl - der Rest der Fußball-Regionalligapartie ging an den Chemnitzer FC. [..] Das furiose 3:2-Finale kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verler Abwehr auch im vierten Spiel kein Garant für Sicherheit war.
DPATino Mildes Doppelschlag beschert SC Verl ersten Saisonsieg"
"[..] Dank eines Doppelschlages von Tino Milde (89./90.) drehte der SC ein schon verloren geglaubtes Spiel in den Schlussminuten noch um. [..] Den Gastgebern war in der Anfangsphase die Verunsicherung nach drei Auftakt-Niederlagen anzumerken. Nach Demirs erneuter CFC-Führung bewies der SC Verl jedoch Moral.
KickerAls den Verlern kaum jemand noch etwas zutraute, schlug Kapitän Tino Milde in den Schlussminuten zwei Mal unerbittlich zu.
Chemnitz hatte in beiden Spielhälften nach der jeweiligen Führung allerdings versäumt, diese auszubauen. [..] Trotz eines erneuten Rückstandes steckten die Platzherren nie auf und wurden für ihren großartigen Einsatz verdient belohnt.
Dresdner Neuste Nachrichten2:3 in Verl - Chemnitz verschenkt die Tabellenführung
Spielerstimmen
Rudi ZediMeiner Meinung nach hat heute der 12. Mann
(er meint damit Schiedsrichter Grabanowski) entschieden.
Trainerstimmen
Matthias SchulzDas ist für uns eine Katastrophe! Wir haben den Gegner 88 Minuten beherrscht und stehen nun mit leeren Händen da.