Spielbericht

6. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Holstein Kiel
Holstein Kiel
2:3
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC

Nicht noch einmal, denn Fußballfans sind abergläubisch.
Oder: Kiel - Chemnitz. Ein echtes Schei** - Spiel.

von Michael Mally

Im Laufe der Abendstunden des 27.08. fiel im Kieler Holstein - Stadion so manches. Zunächst der dritte Vorhang in Folge zum Duell Tabellenletzter gegen den Chemnitzer FC. Eine Konstellation, die an den vergangenen beiden Spieltagen jeweils mit einem derben Griff in die Minustüte für die Himmelblauen endete und damit arges für den Auswärtsauftritt befürchten ließ. Nach dem Schlußpfiff der Partie aber fielen dann Steinbrocken der Erleichterung von den himmelblauen Seelen.
Die Himmelblauen mußten wie auch am vergangenen Samstag gegen den HSV auf Schmidt und Fröhlich verzichten, die verletzt in Chemnitz blieben. Bis auf Vesovic, der von Beginn an für König spielte und die Defensive stärken sollte, lief damit die Elf der HSV-Pleite auf.
Die Anfangsphase ließ durchaus zumindest den Willen der Chemnitzer erkennen, sich nicht noch eine Pleite gegen ein Schlußlicht einzuhandeln, drei eher weniger gefährliche Schüsse in Richtung Kieler Gehäuse verliehen diesem Ansinnen Gestalt. Gleichwohl war bereits in diesen ersten Minuten zu erkennen, dass es dem himmelblauen Spiel an Selbstvertrauen und Sicherheit mangelte. Diverse Abstimmungsprobleme, die besonders das Defensiv-Verhalten der Mannschaft überschatteten, führten nach neun Minuten mit dem zweiten Kieler Angriff (der erste endete an der Querlatte) dann auch gleich zum 1:0 der Hausherren. Die rechte Abwehrseite der Himmelblauen mit Walther im Mittelfeld und Vesovic in der Abwehr offenbarte hier wie leider noch manchmal im Spiel erheblichen Übungsbedarf, was die Abstimmung betrifft. Denn nach mißglückter Abseitsfalle waren die Kieler durch und Guscinas verwertete die flache Eingabe am langen Pfosten unbehelligt. Lähmendes Entsetzen bei den etwa 60 Unbelehrbaren im Gästeblock, das alsbald mit Sarkasmus gewürzt wurde. Zitat: "Wenigstens führen wir diesmal nicht 1:0, um uns danach wie stets zurück zu ziehen und um den Ausgleich zu betteln." Der geneigte Chemnitzer registrierte in den folgenden Minuten immerhin den Willen der Eigenen um Resultatsverbesserung und das Unvermögen der Kieler zum Nachlegen, die nur selten und dann auch stets nur unter gütiger Mithilfe der Chemnitzer Defensive zu Einschussgelegenheiten kamen. Ein Spiel auf schwachem Niveau, Kiel kompakt verteidigend und auf Konter oder Wunder hoffend, Chemnitz ohne die spielerischen Momente. Lediglich Standartsituationen brachten Gefahr, hier besonders zu nennen Biermann-Ecken. Nach zwei vergeblichen Anläufen fand eine solche in der 29.Minute schließlich den zentral am Fünfmeterraum völlig freien Aleksandas Vesovic, der zum kaum für möglich gehaltenen Ausgleich einköpfen konnte. Jubel, Erleichterung, Handyphonie. Die letzte Viertelstunde der ersten Hälfte dann ohne großartige Höhepunkte, sieht man von einer Riesenaktion von Demir, die den Kieler Keeper auf dem Posten sah, ab.
Halbzeit. Bratwursttest. Gab´s letztes Jahr u.a. noch leckere Fischbrötchen, mußte diesmal ausschließlich auf Frikadelle (Urteil: äks, Note 5) oder Bratwurst (Urteil: äks, Note 4-) zurückgegriffen werden. Als Entschädigung gab´s in der Verpflegungsbox im Gästeblock wenigstens mal ein hübsches Mädel zu sehen, was sonst in Schleswig-Holstein nahezu nicht vorzukommen scheint. Armes Bundesland.
Anpfiff zur zweiten Hälfte ohne Wechsel und nun mit dem CFC auf die eigenen Fans spielend. Die erste Chance verbuchten sofort die Kieler, zum Glück ohne zählbare Folgen und auch für lange Zeit die letzte Chance für die Störche. In einem nach wie vor niveauarmem Spiel, in dem die Kieler spätestens nach Dowes verletzungsbedingtem Ausscheiden überhaupt keinen Nachweis für die Daseinsberechtigung in der Regionalliga mehr erbringen konnten und auch das CFC-Spiel zunehmend aus lang, hoch und orientierungslos weggedroschenen Bällen bestand, sind die wenigen lichten Momente schnell aufgeführt. Nach einer knappen Stunde entschloß sich der CFC zu einem über rechts durchaus sehenswert vorgetragenen Angriff, den eine verunglückte Flanke beendete, die sich Biermann auf ganz links erkämpfte, ein Pass auf Krieg, der von der linken Strafraumecke aus mit einem überlegten Schlenzer zum 2:1 für die Guten einnetzte. In der Folge ein CFC, der sich zwar zurückzog, dabei aber auch weiter an Konter dachte und in den schwachen Kielern genehme Gegner fand. Die Einwechslung von Simic für Biermann, weil jener Simic auch in Kiel andeutete, dass er unserem Mittelfeld gerade in der derzeitigen Personalsituation sicher Impulse verleihen könnte. Und dann schließlich unterhaltsame zehn Schlußminuten mit der Hauptfigur Ersin Demir. Zunächst eine gelbe Karte für unsere Nummer 9, der einen Gegner so entschieden und ausdauernd per Trikottest bei sich hielt, dass dies dem Schiri zurecht den Karton wert ist. Zwei Minuten später endlich DER klasse Konter mit flachem Steilpass auf Demir, der noch zwei Gegner überlief und souverän im Stile eines abgezockten Torjägers zum 3:1 und damit zur Entscheidung verwandelte. Und abermals zwei Minuten weiter eine Kopie des mit Gelb geahndeten Zweikampfes. Mit der gleichen Konsequenz und damit Gelb-Rot für den Torschützen. Eine dumme und unnötige Aktion, die dem Trainer die Freude über den Auswärtssieg ordentlich trübte. Im Gästeblock wurde dies ob der Auswärtssieg-Feierlichkeiten kaum mehr wahrgenommen, gleiches gilt auch für das Anschlußtor der Kieler per Kopf aus Nahdistanz durch Trejgis. Dies aber nur noch mit Auswirkungen auf die Statistik, da das Spiel nach diesem Treffer gar nicht mehr erst angepfiffen wurde, sicher nicht verkehrt für uns.
Der wahre Held des Spiels - (fast) jeder Schiss ein Treffer ;o)Fazit: Der CFC geht also in einem Spiel auf äußerst mäßigem Niveau als verdienter Sieger vom Platz, weil bei allen Mängel auf himmelblauer Seite ein größerer Siegeswille, das eine oder andere Anzeichen von irgendwo doch vorhandenem Spielvermögen und vor allem eine beinah gut zu nennende Chancenverwertung zu notieren waren. Erlösung und Freude bei Spielern, Trainern und natürlich vor allem im Gästeblock, den während des Spieles 19 Zaunfahnen (Kiel: 11) schmückten, der zum Intro drei große Schwenkfahnen und unzählige blaue Winkelemente und später im Spiel auch schicke rote Pyrotechnik sah, die aber "hier in Kiel definitiv verboten ist". Für die kleine Schar der Unbelehrbaren eine gute Stimmung, die den Kielern den Heimbonus nahm und aus einem nahezu unerschöpflichen Reservoire an Gesängen für die eigenen Helden, gegen Figuren aus dem Schacht oder vom Elbufer und besonders gegen die prächtig gelockten Gästeblock-ABVer auf der Tartanbahn gespeist wurde. An der Stelle mal ne Anerkennung an die (extra für den DFB: bösen) Ultras und den Sportplatz-Poeten Tanne.
Sieht man von diesen nüchternen Fakten ab, konnte der CFC an diesem Dienstag abend aber auch gar nicht verlieren, womit eine Überleitung zur Überschrift gegeben sein soll. Mit den Erfahrungen der letzten Saison, als in Kiel noch verloren wurde, wählte man für die Zelterei einen anderen Zeltplatz, betrat das Stadion diesmal statt am linken eben am rechten Kassenhäuschen, gelangte schon nach wenigen Minuten an den Einlasskontrollen, die wieder mal auf den zu erwartenden Fanpöbel-Schlägertrupp aus dem bösen Osten ein- und abgerichtet waren, vorbei ins Stadion, zelebrierte auch hier alle Sieg-Bratwurst-Rituale und entdeckte quasi nebenbei das Erfolgsgeheimnis für dieses Match. Der Held hört schlicht auf "Ib" und genehmigte sich eine verdiente Auszeit im Dixi-Häusl, als ihm der Torjubel im Block vom 2:1 für die Guten kündete. Wohl ahnend, dass diese zwei Tore nicht für den Auswärtsdreier reichen würden und für den himmelblauen Erfolg alles in Kauf nehmend, verschwand jener "Ib" dann in der 85. Minute abermals im Dixi-Palast. Der Torschrei im Block war Bestätigung genug für den gelungenen Plan. Welch heroischer Verzicht auf Live-Tore, welche Aufopferung. So wurde das Spiel also eigentlich auf dem Dixi gewonnen, was für ein Schei** - Spiel...

Beste Himmelblaue: Krieg, Vesovic, Göhlert

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Pressestimmen

Freie Presse
Chemnitzer FC gelingt Wiedergutmachung"
"[..] Drei Tage nach der 1:4-Schlappe gegen die Amateure des Hamburger SV gab es gestern Abend bei Holstein Kiel einen verdienten 3:2 (1:1)-Erfolg. [..] In der Folgezeit nahm aber der CFC das Heft in die Hand und konnte noch in der ersten Halbzeit ausgleichen. [..]

Kieler Nachrichten
Alarmsirenen bei Holstein"
"[..] Nach einer vor allem im zweiten Abschnitt maßlos enttäuschenden Vorstellung unterlag der Tabellenletzte Holstein Kiel gestern Abend vor heimischer Kulisse auch dem Chemnitzer FC in einem wenig berauschenden Spiel verdient mit 2:3 (1:1). [..]die Kieler Führung erwies sich als Weckruf für die zuvor wenig aufmerksamen Sachsen. In hinteren Regionen nun stabiler, entwickelte in der Folge auch der allerdings in letzter Konsequenz wenig Durchschlagskraft beweisende CFC-Angriff mehr Elan. [..] Was nun folgte, war nichts für Fußball-Feinschmecker. Sicher, Holstein bewies Moral, suchte sein Heil fast ausnahmslos in der Offensive. [..] Die biederen Chemnitzer hingegen beschränkten sich auf die Verteidigung ihres Vorsprunges. [..]

DPA
Holstein Kiel nach 2:3 gegen Chemnitz weiter ohne Sieg"
"[..] Nach einer starken Anfangsphase gaben die Hausherren das Heft zunehmend aus der Hand. Besonders in der zweiten Hälfte war Chemnitz die aktivere Mannschaft. Die Gastgeber präsentierten sich dagegen ohne Mumm. [..]

Kicker
[..] Doch nach dem Ausgleich durch Vesovic, dessen Kopfballtor nach einem Eckstoß erneut die eklatante Kieler Schwäche bei Standardsituationen aufzeigte, begannen die Nerven der Gastgeber zu flattern. Und nach dem 2:1 der biederen, aber zumindest zweikampfstarken Gäste ließen die "Störche" endgültig die Flügel hängen. [..]

6. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2002/2003
Dienstag, 27. August 2002, 19:30 Uhr
Holsteinstadion, Kiel
Zuschauer: 1.713
Schiedsrichter: Hennecke (Salzhemmendorf)
Holstein Kiel
T Greil
A Hardt
A Trulsen (71. Atasoy)
A Pukaß (54. Schiersand)
M Dowe (76. Grzegorczyn)
M RoseGelbe Karte
M Kopuk
M Ilski
M Rohwer
S Guscinas
S TrejgisGelbe Karte

Trainer: Jurgeleit
Chemnitzer FC
T Hiemann
A Göhlert
A Vesovic
A Mehlhorn
M WaltherGelbe Karte
M Zedi
M Tchipev
M Biermann (78. Simic)
M MeissnerGelbe Karte
S DemirGelbrote Karte
S Krieg

Trainer: Schulz
Tore
1:0 Guscinas (9.)
1:1 Vesovic (29.)
1:2 Krieg (57.)
1:3 Demir (85.)
2:3 Trejgis (90.)