Ost-Derby beim Thüringer Krisenclub…
von Timo Görner
…mit dem wir uns zum letzten Mal in der Abstiegssaison 2005/2006 in der damaligen Regionalliga Nord duellierten. In beiden Spielen war der CFC chancenlos, unterlag jeweils mit 1:3. Am Ende marschierte der Aufsteiger aus Jena in die 2. Liga durch.
Die letzten Jahre unseres Gegners
…waren eine Achterbahnfahrt. 2000 als Regionalliga-Letzter (Süd) in die Oberliga Nordost abgestiegen, brauchte der FC Carl-Zeiss 4 Jahre, um diese zu verlassen. Man spielte jeweils oben mit, verpasste aber in den entscheidenden Phasen den Sprung nach oben. Nach einem 3. und zwei 2. Plätzen gelang 2005 der große Wurf. In der Regionalliga Nord spielte man als Aufsteiger von Anfang gut mit, griff Mitte der Rückrunde ins Aufstiegsrennen ein. 1 Spiel vor Finale war Jena aufgestiegen. Es begann das "Abenteuer 2. Liga", für eine Mannschaft die weitestgehend 12 Monate davor 4. Liga spielte. Nach einem guten Start herrschte Abstiegskampf, der durch einen Sieg im letzten Spiel ohne Aufstiegscoach Heiko Weber - im Februar 2007 durch Frank Neubarth ersetzt - gewonnen wurde. In der folgenden Saison half das nicht, der FCC stieg als Letzter ab. Es war der Beginn sportlicher und wirtschaftlicher Turbulenzen mit erneutem Abstiegskampf eine Etage tiefer. Erst im letzten Spiel in Sandhausen wurde mit einem 2:2 (0:2) der Gang in Liga 4 vermieden. Die Perspektiven waren schlechter, die Finanzen ins Trudeln geraten, deshalb mussten die Thüringer Abstriche machen. Dennoch sah es bereits 1 Jahr später mit Rang 5 und wochenlangem Aufstiegshoffnungen gut aus. Was blieb waren die Probleme im Umfeld, Fluktuation sowohl in der Vereinsführung, als auch bei Trainern und Spielern sowie die finanziellen Probleme. Die Lizenz 2010/2011 war ein Kraftakt, konnte nur mit Mühe erreicht werden.
Die letzte Saison unseres Gegners
Der sichere Klassenerhalt war das Ziel und wurde mit einem ordentlichen Start - 6 Punkten aus 3 Spielen - untermauert. Gelungen der Auftakt gegen Heidenheim (2:1), ebenso das Sandhausen-Gastspiel (2:0). Nur in Dresden (0:2) verlor man. Es war die beste Phase unter Trainer Jürgen Raab. Am 11.08.2011 schrieb man "Fußball-Geschichte", kassierte gegen Saarbrücken (0:7) die höchste Heimpleite der Historie. Die Talfahrt begann. 11 weitere Spiele wurden sieglos bestritten, 5 Remis erreicht und sich teilweise erschreckend schwach gezeigt. Nach Runde 11 zog die Vereinsführung die Reißleine und feuerte Raab. Wolfgang Frank kam und konnte den Abwärtstrend mit 3 Zählern aus 4 Partien leicht abfedern. Im Spiel Nr. 5 klappte es dann in Burghausen (3:2) und gegen Aufstiegsfavorit Offenbach (1:0) legte der FCC nach. Der Sprung aus der Abstiegszone war geschafft, den Aufwärtstrend aber konnte man bis zur Winterpause nicht fortgeführt werden. Deklassiert in Braunschweig (0:6) wurde in Heidenheim (0:2) der Rückrundenauftakt vergeigt. Als kleiner Trost blieb der glückliche Derbysieg gegen Dresden (1:0).
Es galt nur noch den Abstieg zu vermeiden. Die Tendenz mit 6x ungeschlagenen Spielen in Serie mit 4 Siegen ließ hoffen. In Saarbrücken (3:1), gegen Sandhausen (3:0) konnte man Drittligatauglichkeit nachweisen und Wehen/Wiesbaden (1:0) wurde zu Hause besiegt. Mit 35 Punkten aus 27 Spielen lockte das gesicherte Mittelfeld. Für den Klassenerhalt fehlten wie man dachte 6 oder 7 Punkte. Es wurde noch mal eng. Das 1:3 im Derby gegen Erfurt frustrierte. Noch war aber alles im „grünen Bereich“. Am 19.04.2011 eben nicht mehr. 8 Spiele sieglos mit dem Debakel in Babelsberg (1:4) waren genug den 2. Trainerwechsel auszurufen. Heiko Weber kehrte zurück und startete mit einem Dreier gegen Burghausen (1:0). In Offenbach (2:0) wurde der Klassenverbleib perfekt gemacht und gegen Braunschweig (2:2) ein versöhnlicher Heimschlusspunkt unter einer nervenaufreibenden Saison gesetzt.
Sowohl zu Hause mit nur 6 Siegen als auch auswärts mit 11 Niederlagen präsentierte sich Jena sehr durchwachsen. Mit 43:62 Toren zeigte sich die Offensive durchschnittlich und ausbaufähig. Anders die Defensive: Mehr als 62 Tore kassierten nur Ahlen, Burghausen.
Licht und Schatten auch im Thüringenpokal. Erfurt wurde im Viertelfinale (2:1 n. V.) niedergekämpft, dafür in Meuselwitz (1:2) Pokal und Geld verspielt.
Delegierungen für diese Saison bislang
Für 2010/2011 vermeldete der FCC 17 Neu- und 13 Abgänge. Diesmal sind es 18 Spieler, die gingen und 20 die bis heute kamen, 8 sind aus der Vorsaison geblieben. Damit setzt sich die Fluktuation der letzten 3 Jahre fort. In der Abwehr ist Moses Sichone (34) weg. Marco Riemer (23) zog nach Münster, "Oldie" Ronny Nikol (37/BAK 07) in die Regionalliga. Defensiv-Allrounder Sören Eismann (23/Halle) tat das Gleiche. Im Mittelfeld wechselte Jens Truckenbrod (31) mit Riemer zum SC Preußen. Eugen Bopp (27), in der Rückrunde Stammspieler, ging vereinslos. Torsten Ziegner (33/Zwickau) nahm nach 5 Jahren den 2. Abschied. Im Angriff gab es 2 Abgänge von Stammkadern. Der Niederländer Orlando Smeekes (29) verpflichtete sich in Wiesbaden. Aykut Öztürk (23) spielt nach 6 Monaten Jena in Sandhausen. Eine Erwähnung findet noch der Abgang von Christian Reimann (31). Er löste seinen Vertrag vor wenigen Tagen auf. Fand in der abgelaufenen Saison nur zeitweise Berücksichtigung für die Stammformationen. Zudem wurde Stammkeeper Carsten Nulle (31) 4 Spiele vor dem Ende beurlaubt. Er absolvierte zuvor immerhin alle 34 Punktspiele.
Bei den Neuzugängen musste man auf "Kracher" verzichten, Abgänge waren zu kompensieren. Angesichts der Masse nur Anmerkungen zu denen, die sich bislang gut eingefügt haben. Tino Berbig (30/Tor) kam aus Osnabrück. 2004 der Weggang Richtung Osnabrück, dann 1 Jahr in Dresden - wieder zum VfL. Er stammt aus der Nachwuchsabteilung. Ein weiterer "Rückkehrer" ist Abwehrspieler Alexander Maul (34/Regensburg), 2008 gewechselt. Robert Zickert (21/Cottbus II), Kai-Fabian Schulz (21/Hamburger SV II) sind Delegierungen, die erwähnt werden sollten. Beide schafften in Cottbus und beim HSV nicht den Durchbruch. Gleiches trifft im Mittelfeld für Nils Miatke (21) zu, der zwar zu 14 Einsätzen bei Wollitz kam - 2010/2011 nur 1x. Der Tscheche Jan Simak (32) ist die herausragende Verpflichtung. 2007/2008 Leistungsträger in Jena kam der erfolglose Wechsel nach Stuttgart und Mainz. 2000 begann die wechselvolle Karriere des talentierten Kickers mit Hannover, Leverkusen. Danach ging es zu Sparta Prag, Jena. Ein anderer Hoffnungsträger ist Björn Lindemann (27) – Ende August gekommen. Im April in Osnabrück wegen grober Disziplinlosigkeit suspendiert, danach ohne Verein. 2009/2010 einer der besten Spieler in Liga 3. Christoph Siefkes (20) zog es aus Leverkusen (II) an die Kernberge. Im Angriff erhielt man den Serben Velimir Jovanovic (24) als Leihgabe aus Cottbus. Bilanz dort: 17x Regionalliga - 5 Tore und 6 Vorlagen, dazu 8x 2. Liga (1 Tor). Shlomi Edri (29) wurde zeitgleich mit Lindemann engagiert. Der Israeli kommt von Hapoel Ramat Gan FC aus der dortigen 1. Liga.
Der Trainer
Heiko Weber (46) übernahm die Mannschaft am 20.04.2011 und kehrte damit zu seinen Wurzeln zurück. Hier in Jena war seine erste Station als Coach vom Sommer 2004 bis April 2007, wo im Abstiegskampf der 2. Liga die Entlassung folgte. Zuvor hatte er das Team in 2 Jahren aus der Oberliga in Liga 2 geführt. Bis Ende April 2008 war er dann in Cottbus als Chef der II. tätig und betreute in einem Spiel als Interim die Bundesliga-Mannschaft in München (0:5). Anschließend folgten 13 Monate in Aue, sportlich und menschlich durchwachsen. Im Sommer 2009 folgte die Rückkehr nach Jena als sportlicher Direktor. Sein Vertrag läuft bis Saisonende. Weber – Neubarth – Ivanauskas – Bürger – Zimmermann (Interim) – van Eck – Fascher – van Eck – Raab – Frank – Weber. 9 Trainerwechsel in den letzten 5 Jahren.
Die Mannschaft
Nr. 1 im Tor ist "Heimkehrer" Tino Berbig (30). In der Abwehr konnten sich Kapitän Alexander Maul (34), Ralf Schmidt (25), Kai Fabian Schulz (21), Alexander Voigt (33) und Robert Zickert (21) etablieren. Im Mittelfeld sind es der Kroate Josip Landeka (24), Christoph Siefkes (20), Nils Miatke (21) und Jan Simak (32). Als Hoffnungsträger gilt Björn Lindemann (27), beim Debüt in Unterhaching gesetzt. Von den weiteren Spielern dürfte Philipp Grüneberg (19) am Weitesten sein. Problemzone ist der Angriff mit nur 2 Stürmertoren. Velimir Jovanovic (24) und Sebastian Fries (18) erzielten je 1 Treffer. Noch ganz ohne Erfolgserlebnis sind Sebastian Hähnge (33), Martin Ullmann (24) und Nils Pichinot (22). Abhilfe soll hier eine der beiden letzten Neuverpflichtungen, Shlomi Edri (29) schaffen. Mit Berbig, Voigt, Simak, Lindemann, Hähnge, Maul haben die Ostthüringer erfahrene Akteure im Kader, die höherklassig gespielt haben. Dazu kommen die "Jungspunde" Schultz, Siefkes, Miatke. Eine ganz gute Mischung, die sich bislang noch nicht ganz gefunden hat. Mit dem suspendierten Nulle hat Jena 28 Spieler im Kader. 24,4 Jahre werden im Schnitt vermerkt.
Die aktuelle Saison bislang
…sieht die Thüringer erneut im Abstiegskampf. Fehlende Durchschlagskraft im Angriff, Disziplinlosigkeiten, individuelle Fehler und auch Pech kennzeichnen 2011/2012 bislang. Zum Auftakt mit dem Derby in Erfurt kassierte man ein 0:3 und verlor mit Hähnge einen wichtigen Spieler beim Stand von 0:1 durch Unbeherrschtheit mit Platzverweis. 60 Sekunden später fiel das 2:0 für Rot-Weiß durch den von Hähnge verursachten Elfmeter. Den bislang einzigen Lichtblick gab es 10 Tage später gegen Burghausen (1:0). Der Rückschlag folgte in Saarbrücken, wo man sich amateurhaft den 1:1-Elfmeter einfing. Ohne Punkte auch gegen Aufsteiger Münster, trotz 1:0-Führung (1:3). Die Symptome ziehen sich durch alle Spiele. Ausgerechnet in Heidenheim stand die Abwehr, ermauerte das 0:0. Punkte wurden erneut, gegen Offenbach verschenkt. Ein zweifelhafter Strafstoß für die Hessen zum 1:1 und ein Schnitzer von Hähnge zum 1:2 machten es aus. Viermal ging man in Führung - 1x gab es Punkte. Der Tiefpunkt dann in Unterhaching: Das 0:6 war eine Vorführung gegen überlegene Gastgeber. Mit 16 Gegentoren hat man die momentan schwächste Abwehr, allerdings ohne Unterhaching "nur" 10. Bedenklich ist die Schwäche in der Offensive. 4 Tore wurden verbucht. In 3 Begegnungen blieb man ohne Treffer.
Im Thüringen-Pokal trat man am vergangenen Sonntag bei Vorjahresfinalist 1. SC Heiligenstadt an und siegte beim Sechstligisten klar mit 4:0.
Prognose
Es wird wohl eine Saison wie die Letzte werden, Jena kämpft bis in die Rückrunde gegen den Abstieg. Den erfolgreich zu bestreiten, hat man eigentlich das Potential. Nur wenn man dies ausschöpft, sich nicht ständig weiter schlägt und Ruhe im Umfeld erhalten kann, reicht es.
Das Umfeld
Die 3. Liga ist für den Traditionsverein eine sportliche wie wirtschaftliche Gratwanderung. Im Herbst 2009 wurden erstmals seit Jahren ernste finanzielle Engpässe bekannt. Trotz der Mehreinnahmen aus dem DFB-Pokal 2008, als man bis ins Halbfinale kam. Zuvor galt man neben dem sportlichen Höhenflug in die 2. Bundesliga als positives Beispiel, auch angesichts der Ruhe im Umfeld trotz 4 Jahren Viertklassigkeit. Jetzt registrierte man Querelen in der Führung, Kommen und Gehen von Spielern wie Verantwortlichen. Zum damaligen Zeitpunkt fehlten 950.000 EUR bis zum Saisonende. Rainer Zipfel als erfolgreicher Vereinschef der Aufstiegsjahre hatte im April 2008 das Handtuch geworfen, frustriert von diversen Vorgängen betreffs seiner Person. Er blieb als Sponsor erhalten. Das Etatloch konnte man flicken, Die Lizenz für 2010/2011 wurde mit Auflagen und Bedingungen verknüpft. Für die aktuelle Saison war es wieder ein Kraftakt. Im Mai 2011 kehrte Zipfel als Präsident zurück, der umtriebige Aufsichtsratschef Dr. Rainer Töpel schloss mit dem Club einen Vertrag als Hauptsponsor welcher 300.000 EUR einbrachte. Das Duo Zipfel – Töpel erwies sich für den Club hier durchaus als "Glücksfall", da beide weitere notwendige Gelder für die Lizenz beschaffen konnten. Der Etat soll mittlerweile bei rund 2,2 Mio. EUR liegen, deutlich weniger als der CFC. Große sportliche Ambitionen verbieten sich damit erstmal.
In der Vorsaison lag der Zuschauerschnitt bei 5.627, ein Rückgang nach 7.343 im Jahr 2009/2010. Das Derby gegen Erfurt war auch diesmal wieder der Hit mit 11.000. Hansa lockte auch noch 8.500 an, Dynamo Dresden hingegen nur 6.400. Aktuell liegt man noch etwas unter dem Schnitt der Vorsaison, registrierte 5.347 in den 3 Heimspielen. Mit Burghausen, Münster, Offenbach hatte man allerdings auch nicht die Zuschauermagneten. Burghausen stellt den Rekord mit 6.500. Offenbach den Minusbesuch mit zuletzt 4.500. Gegen den CFC dürfte man allerdings wohl wieder mit gut 5.500 bis 6.000 rechnen. Zuzüglich des himmelblauen Fanvolkes.