Vorbericht

14. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2004/2005
Chemnitzer FC
Chemnitzer FC
1:0
1. FC Union Berlin
1. FC Union Berlin

Nordost-Kellerduell gegen ein aus einem Traum erwachtes, eisernes Stehaufmännchen

von Timo Görner

Der Traum des "ewigen Verlierers" aus Berlin-Köpenick hieß bis vor knapp eineinhalb Jahren noch den Sprung ins Oberhaus des deutschen Fußballs zu schaffen. 18 Monate später sieht die Realität - "fast schon wieder normalisiert" - für die Unioner eher trostlos aus.

Der 1. FC Union in den letzten Jahren:
Jahrelang vergeblich am Sprung in die 2. Liga bastelnd und mehrmals nur durch die finanziellen Probleme gescheitert, schien alles gut zu werden für den Traditionsverein aus dem Berliner Osten. 2001 der Aufstieg in Liga 2, Einzug ins DFB-Pokalfinale in der eigenen Stadt, UEFA-CUP. Die beiden verhassten Lokalrivalen aus Charlottenburg und Höhenschönhausen waren in der Versenkung verschwunden und ihnen drohte das Schicksal, welches eben Union noch vor wenigen Monaten fast selber ereilte. Die "Eisernen" waren die klare Nummer 2 in der Hauptstadt geworden.
Nach der starken ersten Saison als Aufsteiger, in der phasenweise sogar der Aufstieg realistisch erschien und Rang 6 erreicht wurde, standen sich die "Eisernen" mal wieder selber im Weg. Der bis dato solide amtierende Vereinschef Rainer Bertram legte sich mit Erfolgstrainer Georgi Wasilew an und geriet folgerichtig von Seiten der Fans und Medien unter Druck. Der Bulgare, der teils selber eine gewisse Aktie an der Unruhe um seine Person hatte, wurde schließlich noch in der Hinrunde entlassen und Wochen später durch den bis dato unerfahrenen Mirko Votava ersetzt. Der schaffte mit Platz 9 noch einen ordentlichen Abschluss.
Was blieb, waren aber Querelen in der Chefetage, eine schlechte Außendarstellung, wenig zufriedene Fans und Kratzer am neuen Lack der Unioner. Die Skepsis vor der letzten Saison war berechtigt. Den Berlinern fehlten am Ende 10 Zähler zum Klassenerhalt, die 33 Punkte waren 16 weniger als noch in der Vorsaison. An 27 Spieltagen wurde ein Abstiegsplatz belegt, ab Runde 26 der "vorletzte Tabellenrang verteidigt". Wochenlanges Hickhack um Vereinsführung und Trainer bis zu seiner Entlassung Ende März 2004 kennzeichneten die "Seuchensaison". Für die letzten 9 Spiele engagiert, konnte auch Trainer-Fuchs Aleksandar Ristic nichts mehr bewegen. Magere 5 Punkte waren seine "Erfolgsbilanz".

Sie gingen:
Der Kader der Unioner wurde - vornehm ausgedrückt -"durcheinander gewirbelt" und ist kaum noch der aus der Vorsaison. Exakt 22 Spieler sind weg. 9 Kicker blieben zweitklassig. Beschränken möchte ich mich deshalb auf die wichtigsten Wechsel. Stammtorwart Robert Wulnikowski (27) und Silvio Pätz (25, Mittelfeld) zog es nach Essen. Frederic Page (25, Abwehr) wie auch Dario Dabac (25) spielen jetzt in Fürth. Thomas Sobotzik (30, Mittelfeld, 7 Tore) kickt in Unterhaching. Ex-Kapitän Steffen Baumgart (32, Sturm, 12 Tore) ging nach Cottbus, sein Sturmpartner Salif Keita (29, 8 Treffer) nach Oberhausen. Mit Florian Bruns (25) ging ein weiterer Angreifer (4 Tore, Aachen). Mit Jan Sandmann (25) und Michael Molata (31, Abwehr) wanderten 2 Spieler zu Holstein Kiel ab. Björn Joppe (25, Mittelfeld) spielt jetzt in Osnabrück. "Edel-Joker" Sreto Ristic (28) ging unbekannten Weges. Und Chibuike Okeke (25) weilt ja zur Zeit zum Probetraining in Chemnitz. Das die wichtigsten Abgänge, im Grunde eine komplette Mannschaft mit Stammspielern.

Sie kamen:
Fast alle Neuzugänge kommen aus ehemals oder aktuell unteren Spielklassen teilweise von Amateur-Mannschaften und können zumindest vom Namen her die Abgänge kaum ersetzen. Bekannt dürfte dem Leser Martin Hauswald (22, Sturm) sein, der aus Münster kam, wo er von Rot-Weiß Essen ausgeliehen war. Mit Hannes Wilking (22, Abwehr) und Benedetto Muzzicato (26, Mittelfeld) kamen zwei neue Leute von den Werder-Amateuren. Frank Kaiser (26, Abwehr) ist Neuzugang aus Erfurt. Von den Schalke-Amateuren wechselte Benjamin Wingerter (21, Mittelfeld) nach Köpenick, von denen aus Bielefeld der US-Stürmer Ryan Coiner (21). Matthias Straub (23, Abwehr, Siegen) verpflichtete sich ebenfalls. Mit Thomas Boden (26) aus Schweinfurt ist neben Kaiser (Dynamo) und Hauswald (FV Nord) ein weiterer Ex-Dresdner (DSC) neu beim 1. FC. Hinzu kommen 2 Spieler aus der II. Mannschaft (5. Liga) und 2 Spieler der A-Jugend. Die einzigen beiden Neuzugänge aus einer höheren deutschen Spielklasse sind der Serbe Hajrudin Catic (29, Mittelfeld, Oberhausen) und "Heimkehrer" Marco Sejna (32, Ahlen), welcher schon für Hertha BSC und Tennis Borussia im Tor stand. Mit dem Franzosen Ismaël Bouzid (21, Abwehr) vom FC Metz ist noch eine Verpflichtung aus dem Ausland zu vermerken.

Das Kollektiv in dieser Saison:
Allzu große Erwartungen nach dem Aderlass im Kader aufgrund finanzieller Kalamitäten wurden in den jungen Kader (23,3 Jahre im Schnitt) nicht gesetzt. Die momentane sportliche Talfahrt kommt dennoch in dem Ausmaß etwas überraschend. Von den "Helden anno 2001" ist lediglich der eigentlich schon ausgemusterte Tom Persich (33) übrig geblieben. Ansonsten gibt es abgesehen von Sejna, Persich und Catic wenige Erfahrung aus höheren Ligen.
Man könnte sagen: Junge Spieler wie Felix Below (20) aus der eigenen Nachwuchsabteilung + Kicker von Amateurmannschaften aus Liga 1 (Muzzicato, Wilking, Wingerter) + "alte Hasen" wie Sejna (32), Catic (29), Persich (33) + solide Regionalliga-Kicker wie Hauswald und Boden = 1. FC Union 2004/2005. Dies ist sicherlich keine "Übermannschaft", aber dennoch mit dem Potential um wenigstens die dritte Liga halten zu können.

Der Trainer:
Auch bei unserem Gegner gab es bereits einen Wechsel auf der Trainerbank. Für "Kumpeltyp" Frank Wormuth (44) war nach dem 1:2 in Bielefeld und der 4. Niederlage in Folge verbunden mit dem Absturz auf Rang 17 Ende. Für ihn kam mit Werner Voigt (57), ein recht erfahrener Übungsleiter mit Stationen im nordostdeutschen Fußball (Dynamo Dresden, BFC, FC Hansa Rostock). Der als "Drillmeister" bezeichnete Coach betreute zuletzt die II. Mannschaft der Berliner in der Verbandsliga Berlin (5.). Er hat einen Vertrag bis Saisonende.

Die Saison 2004/2005 bislang:
Der ordentliche Auftakt mit Platz 5 und 2 Siegen aus 4 Spielen sorgte für Zufriedenheit. Was folgte war eine Talfahrt von "4 auf 17" mit 7 Niederlagen in Folge und erst das 0:0 am vergangenen Wochenende zu Hause gegen den VfB Lübeck war wieder mal ein Punktgewinn. Magere 3 Treffer wurden in den letzten 8 Begegnungen erzielt. 4 der 7 Pleiten dabei mit nur 1 Tor Differenz. Schmerzlich waren dabei die Punktverluste in Düsseldorf (0:2) und Bielefeld (1:2). So droht momentan die Neuauflage der Berliner Derbies gegen den BFC, den man eigentlich nie wieder zusehen gedachte. Insgesamt bislang ordentlich zeigen sich die beiden Stürmer Martin Hauswald und Ryan Coiner (je 3 Tore).

Das Umfeld/Stimmung/Fans:
Ähnlich wie beim FC St. Pauli vor der abgelaufenen Saison war die Spielberechtigung für den Zweitligaabsteiger in der RL Nord ein Kraft- und Zitterakt. Auch hier halfen die Fans kräftig nach ("Bluten für Union" mit einer Einnahme von 300.000 Euro), es gab Benefizspiele gegen den FC St. Pauli und den FC Bayern und der Etat musste kräftig zusammengestrichen werden, so dass statt 6,5 Mio. EUR - wie in der letzten Saison - noch 2,1 Mio. EUR übrig blieben. Von diesen wiederum sind 1,2 Mio. für die 1. Mannschaft vorgesehen - nicht gerade üppig.
Die Lizenz für diese Saison war nur mit einer nachzuweisenden Liquiditätsreserve von schlappen 1,45 Mio. Euro zu bekommen, welches letztendlich durch Fans und Sponsoren geschafft wurde. Hauptsponsor ist nach wie die "BSR" mit einem Engagement von 300.000 Euro bis Saisonende, wobei die Unioner nach dem Abgang von Aufsichtsratschef Hurtado aus dem Unternehmen ihren dortigen Fürsprecher verloren. Die "BSR" sponsert dabei laut Angaben des Vereins und des Unternehmens selber nur das Union-Nachwuchszentrum (Etat: 400.000 Euro). Chef des Vereins ist mittlerweile der Berliner Unternehmer Dirk Zingler (39), welcher den glücklosen Vorgänger Schlebrowski (Rücktritt) im Juli 2004 ablöste. Seine Aussage vor Saisonbeginn: "Konsolidierung, finanziell wie sportlich, Aufstieg 2006" - wie beim CFC.
Nach der "leisen Euphorie" zum Saisonstart mit 6.100 Zuschauern gegen Wuppertal war zuletzt auch auf den Rängen eine gewisse Ernüchterung zu spüren. Die Besucherzahl ging zeitweilig von 5.500 bis auf etwas über 4.000 zurück und dürfte den "harten Kern" darstellen, wobei die Gegnerschaft mit Amateurmannschaften und Paderborn nicht gerade attraktiv war. Im "Spiel der Kultklubs" und "Lizenzkämpfer" beim FC St. Pauli dagegen begleiteten über 2.500 den Ex-Zweitligisten. Am Samstag dürfte man wohl mit mindestens 500 "Eisernen Fußballfreunden" rechnen.

Denen wünsche ich alles, nur nicht das Ende ihrer eigenen Sieglos-Serie... ;-)
14. Spieltag - Regionalliga Nord - Saison 2004/2005
Samstag, 23. Oktober 2004, 14:00 Uhr
Fischerwiese, Chemnitz
Zuschauer: 4.590
Schiedsrichter: Fischer (Hermer)


Tore

Die Tabellenverläufe

Tabellenhistorie

Der Vergleich


Chemnitzer FC 1. FC Union Berlin
46,70 %Chancen gegeneinander53,30 %
18Tabellenposition17
6
12
0,50
Pkt.
Spiele
Pkt. pro Spiel
8
12
0,67
1 (8,33 %)
8 (66,67 %)
Siege
Niederlagen
2 (16,67 %)
8 (66,67 %)
5:16
0,42:1,33
Tore
Tore pro Spiel
11:18
0,92:1,50
3:2 gegen VfL Osnabrück (A/A)Höchster Sieg4:2 gegen Wuppertaler SV Bor. (H)
0:3 gegen VfL Wolfsburg/A. (N/A)Höchste Niederlage1:3 gegen Borussia Dortmund/A. (H)
seit 2 Spielen nicht gewonnenAktuelle Serieseit 8 Spielen nicht gewonnen

Die Bilanz

 ZahlSUNTore
Alle Spiele401913863:39
Heimspiele20118137:18
Auswärtsspiele2085726:21
Ligaspiele361613752:35
Pokal-/Relegationsspiele430111:4

Rückblick auf die letzten 15 Spiele

1986/1987DDR-Oberliga7. SpieltagFC Karl-Marx-Stadt - 1. FC Union Berlin2:1 (1:1)
1986/1987FDGB-PokalAchtelfinaleFC Karl-Marx-Stadt - 1. FC Union Berlin4:3 n.E.
1986/1987DDR-Oberliga20. Spieltag1. FC Union Berlin - FC Karl-Marx-Stadt4:2 (2:1)
1987/1988FDGB-PokalAchtelfinaleFC Karl-Marx-Stadt - 1. FC Union Berlin1:0 (0:0)
1987/1988DDR-Oberliga13. Spieltag1. FC Union Berlin - FC Karl-Marx-Stadt1:1 (0:0)
1987/1988DDR-Oberliga26. SpieltagFC Karl-Marx-Stadt - 1. FC Union Berlin2:3 (1:1)
1988/1989DDR-Oberliga10. SpieltagFC Karl-Marx-Stadt - 1. FC Union Berlin0:0 (0:0)
1988/1989DDR-Oberliga23. Spieltag1. FC Union Berlin - FC Karl-Marx-Stadt0:1 (0:0)
1990/1991DFV-PokalViertelfinale1. FC Union Berlin - Chemnitzer FC1:0 (0:0)
1996/1997Regionalliga Nordost12. Spieltag1. FC Union Berlin - Chemnitzer FC1:0 (0:0)
1996/1997Regionalliga Nordost29. SpieltagChemnitzer FC - 1. FC Union Berlin2:1 (1:1)
1997/1998Regionalliga Nordost9. Spieltag1. FC Union Berlin - Chemnitzer FC0:0 (0:0)
1997/1998Regionalliga Nordost26. SpieltagChemnitzer FC - 1. FC Union Berlin1:0 (0:0)
1998/1999Regionalliga Nordost14. Spieltag1. FC Union Berlin - Chemnitzer FC0:1 (0:1)
1998/1999Regionalliga Nordost31. SpieltagChemnitzer FC - 1. FC Union Berlin2:0 (1:0)