Der CFC und (mal wieder) ein "Riesenberg", der zu besteigen ist
von Timo Görner
Kleiner Ausflug in die Fußballgeschichte: Bei der Qualifikation für die WM 1988 in Frankreich benötigte Spanien im letzten Spiel gegen Malta einen Sieg mit 11 Toren Differenz um die Holländer noch abzufangen. "Marca" titelte damals viel sagend: "Ein Riesenberg ist zu besteigen.". Die Iberer erwiesen sich als wackere Bergsteiger und fegten Malta mit 12:1 vom Platz. Für den CFC steht am Samstag ein ähnlicher Berg vor Augen.
Der FC St. Pauli in der letzten Saison:
Stand der Aufstieg 2005 nicht primär auf der Agenda, so war man am Ende mit Rang 7 nicht sehr enttäuscht. Doch der Saisonverlauf gab zuweilen Anlass für Unzufriedenheit. Denn es war wohl mehr drin. Nach 5 Spieltagen fand man sich durch 3 Niederlagen in Folge inklusive der Derbypleite (HSV/A. 0:1/A) nur im Tabellenkeller wieder (16.). Bis zur Winterpause lag man als 7. jenseits von Gut und Böse. 8 Zähler nach unten aber auch 10 nach oben war der Abstand. Zu Hause wurde nur 1 Niederlage (2:3gegen Osnabrück nach 2:0-Führung) kassiert, dafür 5x gewonnen. Allerdings waren 15 Tore in den 10 Spielen mittelprächtig. Man blieb unbesiegt, tat sich gegen Abstiegskandidaten (Düsseldorf 2:1, Bielefeld 2:1, Union 1:0, CFC 0:0, Münster 3:2, Wolfsburg 2:1, Hertha 1:1, Wuppertal 1:1) aber ziemlich schwer. Auswärts ging man 2x bei 5 verlorenen Spielen als Sieger vom Platz und sorgte in Paderborn für einen Paukenschlag (3:0).
Der Start in die Frühjahrsrunde dann war in Ordnung. Die Hamburger gaben bis Runde 29 kein Spiel mehr ab. Man durfte sogar noch weiter leise Hoffnungen nach oben (8 Punkte) hegen. Doch die noch gegebene Chance auf ein Mitspielen an der Spitze wurde vergeben. Man blieb 5x in Folge ohne Dreier und kassierte 4 Niederlagen darunter gleich 3 am Stück ohne Torerfolg (Chemnitz, Münster jeweils 0:2/A, Bremen/A. 0:1/H). Kritik "am Wie" der Pleiten wurde laut. Die Plätze an der Sonne wieder meilenweit entfernt, war man im Niemandsland der Liga angekommen. Bis zum Saisonfinale wurde sich schließlich noch mal gestrafft und nicht mehr verloren - allerdings auch nur 1x gewonnen und zwar gegen den späteren Aufsteiger Braunschweig (2:1/H).
43 erzielte Treffer sind nicht toll (14.). Nur 39 Gegentore dagegen sehr ordentlich. Nur 2 Mannschaften (CFC 38, Braunschweig 35) waren besser. Im DFB-Pokal scheiterte man in Runde 1 an Cottbus (1:3/H). Im Landespokal verteidigte man den Pott durch einen 2:1-Endspielsieg gegen Verbandsligisten Halstenbek-Rellingen.
Die Saison 2005/2006 bislang:
Die Tendenz geht sportlich nach oben. Der Start ist diesmal absolut gelungen, nach 3 Spieltagen standen 6:0 Tore und 9 Zähler zu Buche, bei allerdings auch lösbaren Aufgaben (Bremen 1:0/A, Erfurt 1:0/H, Emden 4:0/A). Es folgten ein Remis im Spitzenspiel gegen Lübeck (1:1) am Millerntor und ein Rückschlag und Rückfall in alte Zeiten beim 0:2 in Düsseldorf. Die Pleite in Düsseldorf sollte die bislang einzige bleiben. 2 Heimsiege gegen Abstiegskandidaten (Oberhausen 3:1, Leverkusen 1:0) und Remis in Wuppertal (1:1) und Berlin (0:0) folgten. Seit 3 Begegnungen ist man auswärts sieglos. Ein Erfolgserlebnis gab es ferner im DFB-Pokal gegen Zweitligist Burghausen (3:2 n. V.), nächster Auftritt in Runde 2 ist mit dem VfL Bochum (H) gegen einen weiteren Zweitligisten. Im Landespokal des HFV steht man Anfang Oktober in Runde 4 gegen den BFSV Atlantik 97.
Sie gingen:
Die bemerkenswerten Abgänge halten sich in Grenzen. Mourad Bounoua (33, Mittelfeld) ging zu Nord Oberligisten Brinkumer SV. Er absolvierte in 2 Jahren St. Pauli 61 Spiele (15 Tore). Er ist im Grunde der einzige Stammspieler, der sich über die gesamte Saison hinweg etablieren konnte. Erwähnenswert ist noch, dass der ehemalige Dresdner und Jenenser Stürmer "Joker" Rico Hanke (30) ohne neues Engagement blieb und Kapitän Andreas Mayer (33) zum SV Wilhelmshaven ging. Bis auf Bounoua gingen Spieler, die sich in der Saison 2004/2005 nicht bzw. nicht mehr durchsetzen konnten. Es wurde also wie angekündigt kräftig ausgemustert. "Endgültig draußen" ist auch der Ex-Chemnitzer Ifet Taljevic, der seinen noch bis 2006 laufenden Vertrag mit dem Verein am 11.05.2005 auflöste.
Sie kamen:
Es gab interessante Neuverpflichtungen. Für die Defensive wurde Timo Schultz (28) aus Kiel geholt, dazu kehrte der an Rot-Weiß Essen ausgeliehene Brasilianer Nascimento (25) zurück. Neu ist auch der US-Amerikaner Ian Paul Joy (24, HSV II). Für das Mittelfeld holte man aus Vancouver den Kanadier Ive Sulentic (25) sowie als zuvor vermissten Spielmacher den "verlorenen Sohn" Thomas Meggle (30) nach 3 mehr oder weniger durchwachsenen Jahren (44 Spiele) beim "Erzfeind Ost" in Rostock. Mit Dennis Tornieporth (23, Mittelfeld) holte man sich einen vielversprechenden, jungen, aber schon relativ erfahrenen Spieler von einem möglichen Aufstiegskonkurrenten (Kiel). Für den Kenner des Fußballs in Sachsen sollte Khvicha Shubitidze (31, Mittelfeld/Angriff) ein Begriff sein. Der Georgier kam aus Aue, wo er sich trotz guter Ansätze (9 Tore in 2 Jahren) nicht dauerhaft durchsetzen konnte. Andere Stationen zuvor waren Stendal und Zwickau (Oberliga). Aus Stuttgart (VfB II) kam noch für den Sturm Felix Luz (23).
Der Trainer:
Nach den 4 Niederlagen in 5 Spielen Mitte der Frühjahrsrunde 2004/2005 wurde erstmals Kritik an Trainer Andreas Bergmann (46) laut. Der reagierte, in dem er einige Veränderungen im Kader für die neue Saison ankündigte. Der Druck auf den ehemaligen Coach der II. Mannschaft ist in dieser Spielzeit größer, der Verein hat sich die Rückkehr in die 2. Bundesliga bis spätestens 2008 auf die Fahnen geschrieben. Bergmann wird durch die Pauli-Kämpen Dirk Zander (40) und Andreas Trulsen (40). als Co-Trainer unterstützt. Als Torwarttrainer fungiert "Veteran Nr. 3", Klaus Thomforde (42).
Die Mannschaft / Leistungsträger / Einkaufsbilanz:
Gesetzt im Tor ist auch dieses Jahr erstmal Achim Hollerieth (32). Dies sind bislang auch in der Defensive Marcel Eger (22), Fabio Morena (25), Timo Schultz (28) sowie Ian Paul Joy (24). Neuzugang Nascimento plagt sich seit Saisonstart mit Bandscheibenproblemen und fällt vorerst aus, er bestritt erst 1 Spiel. Sein Kollege aus den USA fällt noch mindestens 3 Wochen aus (Muskelfaserriss). Bei den nominellen Läufern konnten sich Fabian Boll (26), Ive Sulentic (25) und Ralph Gunesch (23) fast durchgängig für die Anfangsformationen empfehlen, im Gegensatz zu Routinier Michél Mazingu-Dinzey. Dennis Tornieporth hatte ebenfalls mit Blessuren zu kämpfen. Verletzungspech auch bei Thomas Meggle (30), er zog sich im Spiel gegen Lübeck einen Bänderriss im Knöchel zu, steht aber zur Zeit wieder zur Verfügung. Im Sturm zählen bislang Felix Luz (3), Khvicha Shubitidze (1) und Sebastian Wojcik (3) zum Stamm.
Das Umfeld / Stimmung / Fans /Finanzen:
Ungebrochen ist der Kult. Mitte Juli 2005 waren bereits 8.500 Dauerkarten für die neue Saison verkauft, die letzten beiden Jahre waren es im Schnitt jeweils um die 17.000 im Schnitt, welche die Spiele am Heiligengeistfeld sahen. Fast exakt bei 17.000 liegt auch der Besuch bei den 4 Heimspielen 2005/2006 bislang. Rekord stellten die 19.800 gegen den VfB Lübeck im Nord-Derby dar, geringer der Zuspruch gegen Oberhausen (15.800) und Leverkusen II (14.300).
Die Hamburger gingen mit einem Budget von rund 2,5 Mio. EUR in diese Saison. Damit liegt man im Bereich der Vorsaison und unter dem von Rot-Weiß Essen (4,0), Kiel (3,7) und Osnabrück (3,5). Der Etat gilt offiziell (diesmal) als abgesichert, ist allerdings wie beim CFC ein Kraftakt. Die Anstrengungen zielen auf den Zweitligaaufstieg, optimalerweise schon nach dieser Saison. Spätestens aber 2008 will man wieder zweitklassig sein.
Altlasten sind trotz stabilerer finanzieller Verhältnisse immer noch ein Thema, Vereinschef Corny Littmann spricht von mindestens rund 1 Mio. EUR an Altschulden, welche den Club aus früheren Zeiten belasten. Ein Zweitligaaufstieg ist die Vorraussetzung für den angestrebten Stadionneubau am Millerntor. Ansonsten bleibt diese seit einigen Jahren heiß diskutierte Angelegenheit weiterhin ein Wunschtraum. Generell scheint in der Chefetage der Braun-Weißen etwas mehr Ruhe und Kontinuität eingezogen zu sein, jedenfalls nach außen...