Nachholer bei "Lilien" mit dem Rücken zur Wand…
von Timo Görner
...denn für den Mitaufsteiger aus dem Vorjahr ist die Lage prekär. Dem SV Darmstadt 98 steht noch ein harter Kampf um den Klassenverbleib bevor. Noch ist der aber möglich. Nach dem letzten Spiel steht man wieder mehr unter Druck.
Die aktuelle Saison unseres Gegners bislang
6 Spiele vor dem Saisonfinale stehen die "Lilien" auf dem ersten Abstiegsplatz. Zum gleichen Zeitpunkt 2011/2012 standen 10 Punkte mehr zu Buche und man war relativ sorgenfrei 12. der Tabelle. Aktuell fehlt ein Punkt zum "rettenden Ufer", wobei der 17. zwei Spiele weniger hat.
Der Start mit 4 Zählern aus 3 Begegnungen verlief zufriedenstellend, es wurde sogar der momentan 4. Aus Münster (2:1) besiegt. Das 1:3 im Hinspiel, wo man chancenlos war, war der Auftakt der Kellerfahrt. Es war das erste von 6 sieglosen Spielen, wenngleich man sich ordentlich verkaufte. Zweitligaabsteiger Rostock wurde zu Hause ein 1:1 abgeknöpft. In Wiesbaden (1:1) hatte man bis 6 Minuten vor dem Ende drei Zähler in der Tasche. Beim HFC (2:2) holte man ein 0:2 auf. Das Abrutschen in die Abstiegszone mit Runde 8 als 18. konnte das aber nicht verhindern. Aufstiegstrainer Kosta Runjaic nahm seinen Hut und ein Angebot des sportlich kriselnden Zweitligisten Duisburg an. Der schon damals klamme MSV kaufte den Trainer des Drittletzten der 3. Liga aus dem Vertrag heraus. Mit Nachfolger Jürgen Seeberger gelang der Aufwärtstrend nicht. Darmstadt etablierte sich im Tabellenkeller. Der Heimsieg gegen Stuttgart II (3:1) mit Spiel Nr. 2 ohne Niederlage unter Seeberger blieb ein Lichtblick. In 11 Partien gelang lediglich ein Sieg, dafür kassierte man 8 Pleiten. Schmerzlich waren vor allem die Punktverluste gegen Mitkonkurrenten: Dortmund II drehte das Spiel (1:2) am "Böllenfalltor" in der Schlussminute (1:2). Auch Erfurt (0:1) holte sich drei Zähler. Eher realistisch die Bielefeld-Klatsche (1:3). Als Mutmacher wurde Offenbach (1:0) besiegt. Auf Reisen präsentierte man sich etwas besser. In Osnabrück (0:1) hielt man bis 4 Minuten vor Ende das 0:0, führte in Unterhaching (2:2) bis in Minute 90 mit 2:1. Das Remis bei den Stuttgarter Kickers (1:1) kann wertvoll sein, aber auch hier verspielte man zwei Punkte Sekunden vor Abpfiff. Ebenso in Aachen (1:1). Zuwenig für die Verantwortlichen, nach Münster (0:3) zum Ausklang 2012 musste Seeberger gehen.
Der Start ins Jahr 2013 gegen den CFC fiel der Witterung zum Opfer. So blieb Burghausen der Gegner für Dirk Schusters Debüt als SVD-Trainer. Durchwachsen waren Spiel und Ergebnis, ebenso wie im folgenden "6-Punkte-Spiel" gegen Babelsberg (je 0:0). Zu wenig um den Rückstand nach oben zu schmälern. Hoffnung brachte der Derbysieg gegen Wehen Wiesbaden, zum dritten Mal in Folge ohne Gegentor. Das 1:0 war hart erkämpft, gegen einen bis zum Tor defensiven Gegner. In Heidenheim klarer Außenseiter, machte man dem Favoriten mit akzeptabler aber erfolgloser Leistung Schwierigkeiten (0:3). Das Heimspiel gegen Halle war ein "6-Punkte-Spiel", aus dem man trotz 1:0 mit 0 Zählern hervorging. Wie in Unterhaching drehte der HFC in Halbzeit 2 auf und holte sich die Punkte. Moral wurde bewiesen, dem Sieg beim VfB Stuttgart II (2:0) ließ man eine Überraschung gegen Osnabrück (1:0) folgen. Die Chance zur endgültigen Befreiung wurde vertan, die letzten 4 Spiele sieglos bestritten. In Rostock und Bielefeld hielt die Serie ohne Gegentor ebenso gegen Aachen. Dafür gelang auch kein Tor, das 0:1 in Dortmund im nächsten "6-Punkte-Spiel" war der Rückfall in die Abstiegszone. Die Tendenz ist bei 3 Siegen in 9 Spielen und 5 Treffern ungenügend. In 6 der 9 Begegnungen gelang kein Tor. Nach vorne geht zu wenig. Dirk Schuster konnte aber die Defensive deutlich stabilisieren bei erst 6 Gegentreffern 2013. Es klemmt in der Offensive. Bei nur 23 erzielten Toren kann lediglich Babelsberg mithalten. Stark sind hingegen die erst 39 Gegentreffer (6.). Heimstärke kann man nicht vorweisen, 5 Siegen stehen 5 Pleiten gegenüber. Nur 12x konnten die Fans ein Tor feiern. Deutlich besser hingegen zeigt sich die Abwehr (13). Auf Reisen holte man den ersten Dreier in Stuttgart. 26 Gegentreffer in 17 Gastspielen sind auch hier zu viel, die "Lilien" das zweitschlechteste Auswärtsteam mit 10 Punkten. Zu oft wurden wichtige Punkte in der Schlussphase verspielt. Siehe Stuttgarter Kickers, Osnabrück, Dortmund, Unterhaching, Wiesbaden, Halle.
Im Hessen-Pokal mühte man sich im Viertelfinale zum 1:0-Heimsieg gegen Fünftligist Viktoria Urberach. Mögliche Gegner im Halbfinale sind unter anderem Regionalligist Hessen Kassel und Offenbach.
Delegierungen für diese Saison seit dem Hinspiel
Neben der Änderung auf dem Trainerposten gab es im Spielerbereich drei Wechsel: Aus dem Angriff verließ Ugur Albayrak (24) den Verein bereits Anfang November 2012. Der Hoffnungsträger im Sturm – Empfehlung 12 Tore für Regionalligist Eintracht Frankfurt II 2011/2012 – spielte keine Rolle. Er kam zu 6 Kurzeinsätzen ohne Torerfolg und ist noch ohneneuen Arbeitgeber. Neu sind dafür in der Abwehr Stefan Hickl (24) und der Deutsch-Türke Aytac Sulu (27). Hickl war seit Juli 2012 vereinslos, spielte bis da für den FSV Frankfurt II (Regionalliga Süd). Sulu kam aus Österreich vom Zweitligisten SC Rheindorf Altach. Seine Stationen davor waren unter anderem Sandhausen und Aalen. Die gesuchte Verstärkung für den Angriff glaubt man mit dem Schweden Freddy Borg (29) gefunden zu haben. Er wechselte zum 01.02.2013 ablösefrei vom insolventen Zweitligisten Aachen, zuvor für den FC Hansa Rostock am Ball. Der SV Darmstadt 98 ist sein dritter Verein innerhalb von eineinhalb Jahren. Bilanz bei Aachen: 14 Spiele, 1 Tor.
Der Trainer
Dirk Schuster (45) noch mal vorzustellen, erspare ich mir. Er erhielt einen Vertrag bis Saisonende 2013/2014. Bemerkenswert: Am letzten, möglicherweise entscheidenden Spieltag trifft er in Darmstadt auf die Stuttgarter Kickers, seinen Ex-Verein, und könnte diesen unter Umständen mit seinem Team in die Regionalliga bringen.
Die Mannschaft
Die klare Nr. 1 im Tor ist Kapitän Jan Zimmermann (27). Er ist einer der wenigen Akteure im Kader, welche konstant Drittligatauglichkeit verkörpern. In der Abwehr sind aktuell Andreas Gaebler (28), Winterneuzugang Aytac Sulu (27), Cem Islamoglu (32), Benjamin Gorka (29) und Michael Stegmayer (28) feste Größen. Christian Beisel (30) spielt derzeit keine Rolle. Im Mittelfeld etablierten sich Uwe Hesse (25), der Brasilianer Elton da Costa (33), Hanno Behrens (22) und Danny Latza (23). Alternativen sind Sebastian Zielinsky (24) sowie Benjamin Baier (24), der im Sommer 2011 von RB Leipzig nach Darmstadt kam. Er schaffte den Aufstieg in Liga 3... Im Angriff haben aktuell der US-Amerikaner Preston Zimmerman (24/5 Tore) und Winterneuzugang Freddy Borg (29/1) die Nase vorn. Vorjahrestorjäger Marcus Steegmann (31) bleibt weiterhin nur Reservist mit Kurzeinsätzen bei 2 Vorlagen. Der Pole Kacper Tatara (24) war in der Hinrunde weitestgehend Stammspieler, fällt aber 2013 bislang verletzungsbedingt aus.
Mit 25,5 Jahren im Schnitt ist man fast exakt beim CFC, hat aber 4 Aktive mehr im Aufgebot. Baustelle ist vor allem der Angriff. Vergangene Spielzeit steuerten die Stürmer 24 Tore zu den 51 gesamt bei. Aktuell steht man bei 8 von 23. Die Mannschaft ging Mitte Januar für 10 Tage in die Türkei zum Trainingslager, sammelte dort Kraft für den Abstiegskampf. Parallel dazu versuchte Dirk Schuster, mit den gegebenen Möglichkeiten zumindest einen Neuzugang für die Offensive an Land zu ziehen. Was auch gelang mit Freddy Borg (29), der zwar gesetzt ist, aber erst ein Tor in 11 Einsätzen beisteuern konnte.
Die Einkaufsbilanz
14 Akteure sind bis heute verpflichtet worden. Von denen konnten sich Stegmayer, Gorka, da Costa, Zielinsky, Tatara und Behrens über weite Strecken oder dauerhaft einen Stammplatz erkämpfen. Die Substanz konnte man aber kaum verbessern, Beispiel da Costa: Der Ex-Offenbacher glänzte in der Vorsaison beim OFC noch mit 7 Toren und 7 Vorlagen. Bislang bereitete er nur einen Treffer vor und vollendete einmal. Dazu fiel er im Februar und März drei Wochen verletzt aus. Also keine echte Verstärkung. Freddy Borg im Angriff ist auch noch nicht die große Verstärkung. Gesamtfazit: eher durchwachsen.
Gewinner der Saison bislang
Hanno Behrens (22) schaffte als Neuzugang aus der 4. Liga (Hamburger SV II) beim Drittligisten den Sprung in den Stammkader. Dirk Schuster konnte nach dem Rauswurf bei den Stuttgarter Kickers einige Werbung für sich machen. Dass der Abstiegskampf dort nicht am Trainer lag, hat sich mittlerweile wohl deutlich gemacht.
Prognose
Es bleibt mehr Skepsis, trotz der erkennbaren Steigerung unter Dirk Schuster. Für den Klassenerhalt spricht die starke Defensive, dagegen die schwache Offensive. Positiv können 4 Heimspiele im Restprogramm der letzten 6 Duelle sein. Es fehlen noch gut 11, 12 Zähler. Tipp: Platz 17 oder 18. Ohne Steigerung im Angriff klappt die Ligasicherung nicht.
Das Umfeld
Trotz der Negativentwicklung auf dem Rasen hält der Großteil der Fans den "Lilien" die Treue. Der aktuelle Zuspruch ist mit 5.340 zahlenden Besuchern im Schnitt etwas weniger als zur Vorsaison mit rund 6.000. Den größten Ansturm erlebte man im brisanten Hessen-Derby gegen Offenbach mit 9.600 Enthusiasten. Hansa Rostock lockte auch noch mal gut 8.600 ins Stadion. Im letzten wichtigen Heimspiel gegen Aachen kamen ordentliche 5.800 Besucher. Der "harte blau-weiße Kern" am "Böllenfalltor" ist wohl derzeit bei etwas unter 4.000 anzusiedeln. Am Mittwoch sollte man mit knapp 4.500 Einheimischen rechnen.
Auch in Darmstadt ist die 1921 errichtete Spielstätte ein heißes Thema. Die Arena der Blau-Weißen ist aufgrund der teils maroden Substanz nur noch für 19.000 Besucher zugelassen, 1978 waren es noch derer 30.000. Für eine wesentlich bessere Vermarktung mit guten Wettbewerbschancen in Liga 3 oder höher ist der aktuelle Zustand auch hier ungenügend. Parallelen zur "Fischerwiese" sind augenscheinlich: Zu wenige Sitzplätze (4.000), 15.000 Fans stehen bei nassem Wetter im Regen. Seit 2006 versuchen engagierte Fans einen Stadionumbau in Gang zu bringen, auch im Hinblick auf die Anlagen in Frankfurt, Wiesbaden und zuletzt Offenbach. Ziel ist eine reine, moderne Fußball-Arena. Erst mit dem Aufstieg in die 3. Liga 2011 wurden diese Pläne aber richtig ernst genommen. Letzte Maßnahme war die Aufstockung der 1978 errichteten Flutlichtanlage auf die vom DFB geforderten 800 Lux. In ein paar Wochen soll eine Studie an die Öffentlichkeit kommen, welche die Möglichkeiten auflistet. Denkbar ist dann auch ein kompletter Neubau an einer anderen Stelle. Enorm wichtig ist deshalb der Klassenerhalt in Liga 3. Der CFC ist hier also durchaus schon einen Schritt weiter. Mit dem Lizenzspieleretat von rund 2,2 Millionen EUR ist der Erstligist von 1978 eher im unteren Segment der 3. Liga zu finden, aber zumindest nach außen auch wirtschaftlich stabil. Aktuell scheint aber diese 3. Liga erst mal das "Ende der Fahnenstange".
