Schwerer Gang nach Erfurt …
von Timo Görner
… zum Aufsteiger im Höhenflug. Der zwar am Dienstag etwas unsanft gebremst wurde, dennoch steht dem CFC ein echter Prüfstein bevor. Vielleicht ein gutes Omen, die Himmelblauen sind seit 9 Duellen gegen RWE unbesiegt und konnten zuletzt 4-mal in Folge im "Steigerwaldstadion" gewinnen.
Die aktuelle Saison bislang:
Als der Rückkehrer in die Regionalliga am 05.08.2022 in Luckenwalde erst in der Nachspielzeit zum Ausgleich durch Simon Roscher kam, wagte kaum einer daran zu denken, dass man Februar 2023 an der Tabellenspitze steht. Mit dem Remis war man zufrieden, auch nach den folgenden klaren Siegen gegen Lichtenberg (5:0) und im "kleinen Thüringenderby" in Meuselwitz (4:1) blieb man vorsichtig. Erst recht nach dem 0:1 im zweiten Heimspiel gegen einen "echten Mitfavoriten" vom BAK. 7 Punkte aus den ersten 4 Spielen waren absolut in Ordnung auf dem Weg zum vorzeitigen Klassenerhalt. Zumal gleich danach ein "echter Dämpfer" kam mit dem Pokal-Aus in Gera gegen Wismut aus der Thüringen-Liga 2 Etagen tiefer (0:1).
Von den beiden Niederlagen sollten sich die Rot-Weißen aber schnell erholen, für uns ernüchternd beim 3:0 an der Gellertstraße. Das Derby gegen Jena brachte ein 1:1, bei Lok gab es eine knappe Pleite ohne Torerfolg. Rang 7 die Folge, 7 Zähler hinter Tabellenführer BAK. Was folgte war bis zur Winterpause der Marsch an die Tabellenspitze. Zu den 11 Zählern kamen aus 8 Begegnungen von 24 machbaren stattliche 20 dazu. Im eigenen Stadion wurden die Gäste von TeBe (3:0), Meister BFC (4:1) und Babelsberg (6:2) deutlich geschlagen. Auch auswärts kamen Erfolge, nur das magere 1:1 bei Schlusslicht Halberstadt war unbefriedigend. Das Jahr 2022 wurde gut beendet, im Gipfel-Treffen gegen Cottbus ein 0:2 noch zum Punktgewinn verwandelt.
In der Winterpause gab es noch mal personelle Veränderungen, die durchaus Ambitionen erkennen ließen, oben zu bleiben. Der Höhenflug ging erstmal weiter, die Serie wurde auf 12 Spiele in Folge ohne Niederlage ausgebaut. Bei Chemie hielt der Rückstand nur 180 Sekunden. In Lichtenberg ein turbulentes Spiel, den Ausgleich zum 3:3 kurz vor Ende weggesteckt und noch gewonnen. Mit den 2:0-Siegen gegen Meuselwitz und beim BAK die Tabellenführung verteidigt. Erst am Dienstag endete der Lauf, Altglienicke abgezockt zum Sieg im "Steigerwald-Stadion".
Im eigenen Stadion sind die Thüringer drittbestes Team, kassierten die erste Heimpleite am Dienstag. Kein Team hat hier mehr Tore geschossen, 25:8. Auf Reisen ist keine Mannschaft besser, mit nur 9 Gegentoren hat Rot-Weiß hier die beste Defensive.
Delegierungen seit dem Hinspiel:
Es gab noch mal Bewegung mit 2 Ab – und 4 Neuzugängen.
Der Italiener Zeke Zambrano (19/FC An der Fahner Höhe) im defensiven Mittelfeld wechselte eins tiefer. Ohne Einsatz. Sturmspitze und Ex-CFC Simon Roscher (19/Wattenscheid) blieb der Durchbruch verwehrt, kam 2-mal in die Anfangself und auf 1 Tor gleich im Auftaktspiel. Versucht es jetzt in der West-Staffel beim Ex-Erstligisten.
2 der 4 Neuen ließen aufhorchen, aufgrund ihrer höherklassigen Stationen.
Ismael Mansaray (19/Teutonia Ottensen) ist Innenverteidiger, beim Nord-Ligisten sporadisch eingesetzt. Gleiche Position Ayooluwa Adesida (19), der Engländer kam von der Soccer Academy Arnstadt. Bereit Monate im Training klappte es mit Aufenthaltstitel und Spielgenehmigung. Im Angriff die zwei bekannten Namen. Der Kanadier Caniggia Elva (26/Linksaußen) spielte bis Ende 2021/2022 in Ingolstadt, zuvor Würzburg. Kommt auf 106 Drittligaspiele. Mittelstürmer Osayamen Osawe (29) dürften viele aus 2 Jahren in Halle kennen, erzielte 23 Treffer in 77 Einsätzen. Später ging es nach Kaiserslautern, Uerdingen. Zuletzt beim englischen Fünftligisten FC Halifax Town, da weitaus weniger erfolgreich. Die Verpflichtungen von Osawe und Elva sprechen für die Ambitionen zur Etablierung oben.
Die Sportliche Leitung:
Fabian Gerber (43) hat weiter das Sagen, trotz zu vermutender Angebote höherklassiger Vereine nach dem Höhenflug der letzten 2 Spielzeiten. Sollte Rot-Weiß die 3. Liga erreichen, müsste er die Schulbank drücken. Seine A-Lizenz reicht nur bis zur Regionalliga, weiter höher braucht es die Pro-Version. Als Co-Trainer unterstützt Thomas Kost (53), parallel Coach der U19. Patrick Ecke (33) betreut die Keeper.
Der starke Mann in der Chefetage ist fraglos Franz Gerber, Sportlicher Direktor und Investor. Der Ex-Profi, erfahren auch als Trainer und Sportchef gilt neben Sohn Fabian als maßgeblich mitverantwortlich für die positive Entwicklung. Mit Norman Loose (43) fungiert ein ehemaliger RWE-Kicker als Leiter Organisation und Infrastruktur, war zuvor Nachwuchskoordinator bis zur Insolvenz.
Das Kollektiv:
Im Tor ist Franco Flückiger (31) klar Nr. 1 vor Lukas Schellenberg (20), der 1-mal im Landespokal ran durfte und "Eigengewächs" Pascal Manitz (18). Erwarteter Status, Flückiger zuletzt sehr solide in der 3. Liga bei Türkgücü und erfahren aus den Stationen Halle, Burghausen, Fürth u. a.
Die Abwehr agiert als Viererkette. Die etablierten Innenverteidiger sind Aaron Manu (22), der Kasache Andrey Startsev (28) – auch Kapitän – sowie der Kameruner Salomon Patrick Amougou Nkoa (23/3). Auf der linken Seite ist der Franzose Abou Ballo (24/1) vorn, kam 2020 vom belgischen Drittligisten Royal Francs Borains. Seitdem feste Größe. Dahinter kommt der Niederländer Sidny Lopes Cabral (20/1). Rechts hat sich Ben-Luca Moritz (22/1) durchgesetzt, 2011 bis 2016 in der CFC-Jugend. Alternativ noch Marcel Bär (23).
Samuel Biek (25/1) hat das Vertrauen als "6er", durchlief von 2018 bis 2021 mehrere Stationen in den USA. Til Schwarz (23) stammt aus der eigenen Jugend, wechselte 2019 für 1 Jahr zu Inter Leipzig. Enrico Startsev (19) kann beide Ausrichtungen, für die zentrale Offensive stehen der Franzose Keliano Tavares (21) und Erik Weinhauer (22/1) zur Verfügung. Tavares konnte bereits 6-mal für einen Mitspieler auflegen. Weinhauer ausgebildet in der Magdeburger und Braunschweiger Jugend.
Das absolute Prunkstück der Mannschaft: der Angriff. Links auf dem Flügel ist Artur Mergel (25/9) an 18 Treffern beteiligt. Klar vorn gegen den Franzosen Calvin Tshilumba (23). Rechtsaußen wirbelt Kay Seidemann (22/9), kam 2021 von Oberligist 1. FC Merseburg und vor Robbie Felßberg (19/2). Teil 3 Mittelstürmer Romario Hajrulla (24/8), bietet 5 Vorlagen. Der Albaner mit griechischem Pass empfahl sich ausgerechnet bei Erzrivale Jena II mit 25 "Buden" in 24 Spielen der Oberliga plus 10 Vorlagen. Als hängende Spitze können die Trainer auf den Deutsch-Italiener Nazzareno Ciccarelli (26/4) bauen, 6 Vorlagen. 32 der 45 Tore kommen aus dem Sturm. Das Simon Roscher hier einen schweren Stand hatte, nicht überraschend. Osayamen Osawe (29) könnte am Samstag Hajrulla ersetzen, wenn dieser noch verletzt ist. Momentan (noch) "Joker". Ex-CFC U19 Paul Kämpfer (19) als Nr. 3 kam zu 8 Kurzeinsätzen.
Das große Plus der Rot-Weißen ist, dass einige eher unbekanntere Akteure auf einem überraschend hohen Niveau spielen. Seidemann, Mergel, Startsev, Manu, Moritz, Ballo. Spieler, die von unterklassigen Vereinen kamen, erfolgshungrig sind und wo es die Trainer schaffen, das Potential abrufen zu lassen. Mit 23 Jahren im Schnitt eher eines der jüngeren Aufgebote, von der Altersstruktur damit vielversprechend.
Einkaufsbilanz:
10 Neue kamen vor der Saison, 4 in der Winterpause.
Von den 10 konnten sich Flückiger, Moritz, Biek, Ciccarelli etablieren und sich als Verstärkungen erweisen. Die anderen spielten keine wichtige Rolle, meist Ergänzungsspieler wie Simon Roscher und Paul Kämpfer.
Bei den 4 im Winter kann man schwer bewerten, aufgrund des Zeitpunkts und Verletzungen bzw. Ausfällen siehe eine Rubrik weiter. Osayamen Osawe war bei seiner letzten Station kein Eckpfeiler und auch bislang Einwechselspieler. Ayooluwa Adesida ist noch ohne Praxis.
Fazit insgesamt: dennoch gut, eine qualitativ solide Mannschaft wurde mit den guten Griffen siehe oben weiter gut ergänzt.
Strafbank / Krankenlager / Parteistrafen:
Ismael Mansaray befindet sich noch im Aufbautraining, mit Caniggia Elva fehlt eine weitere Winter-Neuverpflichtung, Grund hier: Muskelverletzung. Einsatz am Wochenende fraglich. Roman Hajrulla musste gegen Altglienicke am Dienstag verletzt raus, erste (inoffizielle) Diagnose: Schienbeinprellung, meist ein Ausfall von 2 bis 4 Wochen. Einsatz am Samstag eher fraglich.
Die Bilanz gegen den FC Rot-Weiß Erfurt:
Satte 73 Duelle gab es bereits, ein echter "Ost-Klassiker". 27-mal konnten wir gewinnen, 25 Partien gingen an die Thüringer bei 100:88 Toren. Abgesehen vom Hinspiel ist die letzte Niederlage 8 ½ Jahre her am 18.10.2014 beim 0:2 in der Blumenstadt. Danach blieben die Himmelblauen in 9 Spielen ohne Niederlage bei 6 vollen Erfolgen, darunter 4 Auswärtssiegen. Die Bilanz zuvor ernüchternd mit nur 2 Siegen gegen 21 Schlappen.
Prognose:
Schwierig in dieser enorm ausgeglichenen und spannenden Liga. Der große Wurf ist nicht unrealistisch, man kann bis zum Ende ganz oben mitspielen. Das Plus ist die breite Offensive im Angriff und Heimstärke. Die Rot-Weißen Leser werden anderer Meinung sein, aber ich tippe mal Platz 3. Begründung? Etwas mehr Erfahrung und Routiniers bei den Mitfavoriten.
Das Umfeld:
Sportlich ist alles im Lot beim ehemaligen "Dino der 3. Liga". Vor dem Saisonbeginn gaben die Vereinsoberen nebst Trainerstab den sicheren Klassenerhalt als Ziel aus, wenn möglich einen einstelligen Tabellenplatz. Von der möglichen Rückkehr in die 3. Liga war nichts zu hören, wurde so wohl auch nicht für ernsthaft befunden. Einige Zeit wurde spekuliert, ob Rot-Weiß die Lizenz für die dritthöchste Spielklasse beantragt, eher unwahrscheinlich für die meisten Beobachter. Mittlerweile ist klar, man wird. Ein klares Signal an Umfeld, Spieler, potentielle Investoren und wohl auch an die Gläubiger im weiter laufenden Insolvenzverfahren.
Denn das schwebt nach wie vor wie ein Damoklesschwert über dem Club. Seit knapp 5 Jahren müssen die Fans und Mitglieder bangen. Wie beim CFC ein umstrittener Insolvenzverwalter, dessen Tätigkeit für eine erfolgreiche Beendigung der Schlüssel ist. Am 31.01.2023 wurde beim Amtsgericht ein Gutachten eingereicht, was die Arbeit von Volker Reinhardt beurteilt. Angeschoben von Gläubigern, die ihm pflichtwidriges Verhalten vorwerfen. 3 denkbare Ausgänge: Reinhard wird abberufen und neuer Insolvenzverwalter. Das Verfahren würde sich weiter hinziehen, Ausgang vollkommen offen. Oder: das Gericht lässt den Insolvenzplan zu und sieht mögliche Pflichtverletzungen als nicht schwerwiegend an. Oder aber: ein Sonderinsolvenzverwalter, der die möglichen Pflichtwidrigkeiten untersucht. Dann könnten Forderungen der Gläubiger gegen Reinhardt kommen. Ausgang 1 und 3 entsprechend negativ für den Verein.
Argumente für eine Fortführung des Clubs liefern neben den Spielern auch die Fans, mit 5.178 im Schnitt ist der Aufsteiger Spitzenreiter dieser Liga und fast exakt zum Wert in der letzten Drittligasaison 2017/2018 (5.106). Relativ deutlich vor Cottbus mit 4.238. Den "Kassenschlager" gab es natürlich zum brisanten Derby gegen Jena vor zweitligareifen 12.074 Besuchern. Gut gefüllt die Ränge auch gegen Cottbus mit 7.436 oder den BFC mit fast 6.000. Für den Samstag dürfte man mit gut 6.000 bis 6.500 einheimischen Fußballfreunden rechnen. Offizielle Kapazität aktuell 18.599, mit allen Eigenschaften wie beim CFC auch für die 2. Bundesliga berechtigt. Betrieben von der "Arena Erfurt GmbH".