Arsch hochkriegen – Schluss mit Aufbauhilfe – Zeichen setzen…
von Timo Görner
...die Mannschaft ist gefordert. Es gibt einiges gut zu machen. Nach Erfurt treffen die Himmelblauen erneut auf einen kriselnden Gegner, es gilt wieder Kredit zu erspielen.
Die letzte Saison unseres Gegners
Nach 3 Jahren mit Platz 10, 2 und schließlich 1 gelang dem Ex-Bundesligisten von 1992 die Rückkehr in die Drittklassigkeit. Jahr 1 nach dem Abstieg aus Liga 3 2009 war schwierig, sportlich und finanziell. Mehr als Platz 10 sprang nicht heraus. Schon in der nächsten Saison ging es deutlich nach oben, lieferte man sich in der Regionalliga Süd bis zum letzten Spieltag einen spannenden Zweikampf mit dem SV Darmstadt 98. In der Vorsaison wurde der große Wurf geschafft, mit bemerkenswerten 78 Punkten der Zweite SG Sonnenhof Großaspach um 9 Zähler distanziert. Die ersten 7 Begegnungen blieb man unbesiegt, erst die II. der Spvgg. Greuther Fürth (1:3) sorgte für die erste von zwei Niederlagen insgesamt. Zum Ende der Herbstrunde war der Vorsprung knapp, nur 3 Zähler trennten vom späteren Vizemeister und 4 vom Dritten Eintracht Frankfurt II. Die Heimpleite gegen Waldhof Mannheim (0:1) verhinderte ein größeres Polster. Der einzige echte Rückschlag. Trumpfkarte die Abwehrstärke, 17 Gegentore konnte keiner unterbieten. 9 der 21 Duelle überstand man "zu Null". Es kompensierte das die Offensive ein wenig klemmte, nur die fünftbeste Ausbeute brachte. Platz 1 wurde verteidigt, keines der restlichen 13 Spiele verloren. 4 Siege in Folge zum Start 2012 verbesserten die Ausgangsposition erheblich. Der Vorsprung jetzt schon 7 Punkte. Es wurde trotzdem wieder spannend, 3 Remis in Folge ließen diesen auf 1 Zähler schmelzen. Der Weckruf zur richtigen Zeit, Blau-Weiß drehte jetzt richtig auf und zog die weiteren 6 Begegnungen. Leicht fiel es nicht. 4 davon wurden mit 1 Tor Differenz gewonnen, 2 mit deren 2. Den Aufstieg machte man am drittletzten Spieltag perfekt, gegen Memmingen (1:0) vor 5.400 Besuchern. 7.200 sollten dann das letzte Spiel gegen Bayern Münchens II (2:0) sehen. Den vorläufigen Abschied aus der Viertklassigkeit nach 3 Jahren. Die Kickers stellten die beste Platz bauende Gemeinschaft mit 12 Siegen und nur 1 Niederlage. Nur 10x trafen die Gäste ins Tor auf dem Kickers-Rasen. Auch auf Reisen war man Primus, verließ 11x den Platz als Sieger. 66:29 Tore bedeuteten den viertbesten Angriff und die mit Abstand beste Defensive. Im Landespokal Württemberg war im Viertelfinale gegen Großaspach (0:1) Endstation. Die wiederum im Finale am 1. FC Heidenheim scheiterten.
Delegierungen für diese Saison bislang
10 Spieler sind gegangen, 8 wurden geholt.
In der Abwehr zog es Yannis Becker (21/ Fort Lewis College) in die USA. Im Mittelfeld spielt Philip Türpitz (20/Schalke 04 II) in der Regionalliga. Der Italiener Alessandro Abruscia (22/ Hoffenheim II) ebenso. Im Sturm verließ Marcel Brandstetter (24/Reutlingen) den Verein Richtung Oberliga. Das die Spieler, welche überwiegend zum Stamm gehörten. Brandstetter war mit 8 Toren und 5 Vorlagen dabei durchaus Marke "Leistungsträger".
"Große Sprünge" bei den Neuen waren und sind nicht möglich. Im Tor wurde Markus Krauss (24) aus Düsseldorf delegiert. Dort ohne Perspektive und 2011/2012 in der II. des Bundesligaaufsteigers eingesetzt. Die Abwehr vermeldete Thorben Stadler (22/Karlsruhe), Kai Bastian Evers (22/Sportfreunde Lotte). Pascal Schmidt (19) wiederum wurde aus der U23 berufen. Wie Evers kommt im Mittelfeld Sandrino Braun (24/Pfullendorf) aus Liga 4. Im Sturm gibt es mit dem Deutsch-Spanier Marcos Álvarez (21) einen Aktiven aus dem Profikader von Eintracht Frankfurt. Dort aber in der Vorsaison nur in der II. (7 Tore) am Ball. Ebenso noch jung an Jahren ist Tobias Rühle (21) aus Heidenheim, dort ohne Durchbruch. Namen, die dem himmelblauen Leser eher nichts sagen, keine Überraschung.
Der Trainer
In den obersten 3 Ligen gibt es nur 3 ostdeutsche Trainer. Und alle haben einen Chemnitzer Bezug. Gerd Schädlich, Sven Köhler und Dirk Schuster (44) bei den Kickers. 1986 wurde er mit der U19 der DDR Europameister. 1987 WM-Dritter in Chile. Gemeinsam u. a. mit Sammer, Steinmann. 1987 der Wechsel nach Magdeburg wo er sich in 3 Jahren zum Stammspieler mauserte. Sein letztes Spiel für den FCM absolvierte er übrigens im damaligen Karl-Marx-Stadt, am letzten Spieltag der Saison 1989/1990 beim "Herzschlagfinale". Es folgte der Wechsel mit Achim Streich nach Braunschweig. Nach 1 Jahr gelang der Sprung in die 1. Liga zum Karlsruher SC. Mit 6 guten Jahren und 167 Bundesligaspielen. Es folgten mehrere Wechsel. Stationen waren Köln, Antalyaspor (Türkei), Admira/Wacker Mödling (Österreich), Ahlen, Wilhelmshaven, Mannheim, Durlach und zuletzt Wilferdingen. Krönung der Laufbahn waren 4 Länderspiele für die DDR und 2 für den DFB-Elf 1994 und 1995. 2009 übernahm er die Mannschaft der Stuttgarter. Unterstützt wird er u. a. von Guido "Diego" Buchwald, dem Weltmeister von 1990. Er fungiert bei den Kickers als Sportdirektor.
Die Mannschaft
Nr. 1 im Tor ist Daniel Wagner (25). In der Abwehr gelten Kai-Bastian Evers (22), Julian Leist (24), Fabio Leutenecker (22), Thorben Stadler (22) als Gerüst. Knapp dahinter kann man Royal Dominique Fennell (23) sehen. Eine recht junge Abwehr. Leist, Leutenecker und Fennell gehören seit mindestens 2 Jahren zum Team. Stadler bringt immerhin Zweitligaerfahrung mit ein, bei 7 Spielen für den KSC in der Vorsaison. Evers war 2010/2011 Stammspieler bei Drittligist Babelsberg. Erfahrung ist also durchaus vorhanden. Evers fällt seit Spieltag 16 (Ermüdungsbruch) auf unbestimmte Zeit aus. Ein Rückschlag für Dirk Schuster und Mannschaft. Im Mittelfeld haben sich der Türke Mahir Savranlioglu (26), Jerome Gondorf (24), der Italiener Vincenzo Marchese (29), Sandrino Braun (24) etabliert. Tobias Rühle (21) gelang es nicht. Auch hier ist ein längerfristiger Ausfall zu beklagen. Kapitän Marchese fiel ebenfalls an Spieltag 16 mit schwerer Verletzung aus. Comeback unbekannt. Mit Patrick Auracher (22) rückte dafür ein weiterer junger Spieler auf. Der Angriff erinnert an den Unsrigen, auch hier ist es mehr oder weniger eine "Solopartie". Einziger bislang erfolgreicher Akteur ist Marco Grüttner (27), das aber mit soliden 9 Toren. 2 "Doppelpacks" sind darunter, die Erfurter (0:3) erinnern sich sehr ungern an ihn. Bei allen 4 Siegen hat er getroffen. Dahinter sieht es noch etwas schlechter aus als beim CFC. Marcos Alvarez (21), Peter Sprung (33), Kevin Dicklhuber (23) blieben ohne Tor und sind weitestgehend Reservisten. Mit 23 Spielern ist das Aufgebot klein. Nur der CFC und Halle bieten weniger auf. 24,5 Jahre im Schnitt sprechen für eines der jungen Kollektive dieser Liga. Bei allem Respekt vor dem Gegner, mit diesem Team wird der Klassenerhalt nur schwer zu packen sein.
Die aktuelle Saison bislang
Die Kickers treten am Samstag mit der Hypothek von 5 sieglosen Partien in Folge an – dabei hagelte es 6 Niederlagen in den letzten 8 Begegnungen. Die haben nach einem guten Saisonstart an die Abstiegszone geführt. Nach den ersten 8 Spieltagen konnte der Aufsteiger zufrieden sein. Platz 8 war erreicht worden und ein ausgeglichen der Saldo an Siegen und Niederlagen. Mit 12:7 Toren konnte man sich defensiv gut verkaufen, nur 3 waren besser. Trumpf war die Heimstärke - keine, der 4 Begegnungen im "Gazi-Stadion" ging verloren. Den durchwachsenen Auftritten gegen Wehen/Wiesbaden und Mitaufsteiger Halle (0:0) folgten 2 bemerkenswerte Siege gegen die Mitfavoriten Osnabrück (3:0) und Aachen (3:1). Auf Reisen tat man sich schwer, kassierte 3 nicht unerwartete Niederlagen beim schweren Programm in Rostock (1:2), Heidenheim (1:2) und Bielefeld (0:1). Dafür zog man das "Auswärtsheimspiel beim" VfB Stuttgart II (4:1). Es folgte die Talfahrt Richtung Keller. In Dortmund holte man den 4. Auswärtspunkt (1:1), dann begann der Negativlauf. Nur 1 Sieg in 7 Duellen sollte gelingen, in Erfurt mit 3:0. Dafür hagelte es 6 Pleiten, 3 Heimspiele in Folge gegen Saarbrücken (1:2), Karlsruhe (0:2) und vergangenes Wochenende Münster (0:2). Beim 0:3 in Offenbach war bis 2 Minuten vor Ende das 1:1 drin, bevor ein Doppelschlag entschied. Von 8 ging es runter auf 17. Der Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz schmolz auf 1 Zähler. Mit dem Remis (0:0) im Nachholer gegen Unterhaching wurde der Abstand am Dienstag zumindest wieder auf 2 Punkte ausgebaut. Die Heimbilanz nur knapp über dem Strich. 2 Siege aus 8 Spielen sind für den Abstiegskampf auszubauen. Am 01.09. wurde der letzte Dreier im eigenen Stadion bejubelt. Nur zwei Gemeinschaften haben zu Hause weniger Tore (8) erzielt, dafür ist man hinten (9) im Soll. Auf Reisen hat man geringfügig weniger geholt, zeitigte "eineinhalb Siege" - das Spiel gegen den VfB Stuttgart II kann nur bedingt als Auswärtsspiel gewertet werden, bleibt Erfurt. Letztes Ergebnis hier 0:1 in Babelsberg. Die kommenden Wochen werden nicht einfacher. Am 24.11. steht mit Darmstadt ein wichtiges Heimmatch an. 2 Wochen später reist man nach Wiesbaden. Die Ausfälle von Marchese, Evers treffen den kleinen Kader. Die Offensive (18) ist gut im Soll (14.), die Defensive ist – man staune – mit 20 Gegentoren einstellig (5.). Im Landespokal Württemberg war bereits wieder Endstation im Viertelfinale, wieder war die SG Sonnenhof Großaspach (0:2) besser.
Prognose
Es wird enorm schwer, den Klassenerhalt zu realisieren. Der Kader erscheint insgesamt zu klein und anfällig bei Verletzungen oder anderen Ausfällen. Vor allem im Angriff muss dringend nachgebessert werden. Finanziell sind die Grenzen eng gesteckt, Verpflichtungen müssen sofort helfen. Wenn das der Fall ist, kann es am Ende reichen. Ansonsten wohl kaum.
Das Umfeld
Die 3. Liga ist für den kleinen Verein im Schatten des VfB eine sportliche und finanzielle Herausforderung. Mit einem Lizenzspieleretat von gerade mal 1,65 Mio. EUR steht man fast am Ende der Fahnenstange. Nur Unterhaching kann weniger investieren. Man muss sich zurücknehmen, die schweren Zeiten nach dem Zweitligaabstieg 2001 haben vorsichtig gemacht. 2003 stand man vor der Insolvenz, nur der Verkauf des Stadiongeländes an die Stadt und die Veräußerung der Namensrechte retteten den Verein. Maßgebliche Ursache der Probleme waren die Anstrengungen 2001/2002, als man sofort wieder in Liga 2 wollte. Stattdessen im Mittelmaß der Drittklassigkeit verblieb und Richtung Liga 4 marschierte. Die finanziellen Schwierigkeiten setzten sich fort. Mitte Mai 2009 konnte man 200.000 EUR aus einem Kautionsfond nicht an den DFB zurückzahlen. Mit dem Abzug von 3 Punkten stand der Absturz in die Viertklassigkeit fest. Zeit für einen Neubeginn, der gelingen sollte. 2009 kam Dirk Schuster als Trainer, der Neuaufbau der Mannschaft mit einigen Akteuren aus dem Nachwuchs war Grundstein des Aufwärtstrends und der Lohn die Rückkehr in Liga 3. Wirtschaftlich hat man sich stabilisiert. Dafür sorgen auch die gestiegenen Einnahmen an TV-Geldern. 750.000 EUR statt 95.000 EUR helfen hier enorm. Was bleibt sind Altlasten aus den "schlechten Jahren 2001 bis 2009", welche eine schnellere Konsolidierung erschweren. Die Rahmenbedingungen will man durch weitere Professionalisierung der Strukturen und Vermarktung verbessern. So arbeitet man mit UFA Sports zusammen. Wie schwierig es nach wie vor ist, beweisen die Vorgänge um das Heimspiel gegen Karlsruhe. Das sollte aus Sicherheitsbedenken in die Arena des VfB Stuttgart verlegt werden. Ein neuer Termin konnte durch gute Kooperation aller Beteiligten gefunden werden, an dem genug Polizei zur Absicherung bereit stand. Die Begegnung sahen 6.400 Besucher um 18.00 Uhr Werktags. Der Heimschnitt liegt bei 4.132, damit haben 13 Vereine mehr Zuspruch. Immerhin ein Anstieg gegenüber 2008/2009 mit 3.647. Die Heimspiele der Aufstiegssaison sahen im Schnitt 3.561. Der KSC sorgte für den größten Andrang, zuletzt gegen Münster als Minusbesuch trafen sich 3.100.