"Ein Wunder" bitte, diesmal in Chemnitz …
von Timo Görner
… um den Gang zurück in die Regionalliga zu verhindern. Beide müssen siegen, um noch Chancen auf ihr Saisonziel zu haben und gleichzeitig auf Schützenhilfe anderer Vereine zu hoffen. Bei Hansa sogar auf Patzer von 2 Teams. Wer am Ende vielleicht doch noch jubeln kann, es bleibt abzuwarten.
Die Saison unseres Gegners bislang:
Nach dem Hinspiel war die Stimmung im Keller, das 1:2 im eigenen Stadion Niederlage 5 im 6. Spiel. Hansa als 13. mit 25 Punkten der Abstiegszone näher als der Tabellenspitze. Diskussionen um den Trainer bestimmten das Umfeld, Jens Härtel galt nicht als unumstritten. Mit dem 5:1 zum Abschluss 2019 beim FC Viktoria Köln gelang zumindest ein kleiner Befreiungsschlag. Die Norddeutschen gingen auf Platz 11 "jenseits von Gut und Böse" in die Frühjahrsrunde 2020.
Dass es nicht mehr war, lag an der Diskrepanz zwischen Heim – und Auswärtsbilanz. An der Küste war man drittbeste Mannschaft, auf Reisen konnten 13 mehr einfahren. 5-2-3 gegen 2-3-5 die Saldi, 27:28 Tore bedeuteten eine harmlose Offensive (16.) und ordentliche Defensive (9). Es fehlte die Konstanz. Nur 1x konnte 2x in Folge gewonnen werden in Magdeburg (1:0), gegen 1860 an Spieltag 12 und 13. Es gab Licht und Schatten auf eigenem Platz. Gut mit knappen Dreiern gegen Bayern II, 1860, Meppen (2:1) und Würzburg (1:0). Enttäuschend wieder die Pleite gegen Großaspach (0:1) und den CFC. Auf Reisen blieben vor allem die Punkte in Braunschweig (2:1) und Magdeburg in guter Erinnerung. Weniger die Fahrt nach Düsseldorf zum KFC (1:4).
Für 2020 wurde weiter auf Jens Härtel gebaut, eine, wie man sieht, richtige Entscheidung. 1 Spiel vor dem Ende ist der Relegationsplatz machbar, wenn auch nicht aus eigener Kraft. Ein Remis wird wohl nicht reichen, so oder so muss in Chemnitz gewonnen werden. Die Bilanz im Jahr 2020 besser als die Herbstrunde. Aus den 17 Spielen wurden 31 Punkte geholt, nicht mal "berauschend", aber ausreichend, um im "Schneckenrennen" der Teams davor in Tuchfühlung zu bleiben.
Der Start 2020 erstmal wieder unbeständig, Sieg gegen Halle – Niederlage bei Bayern II, 1:0 und 0:1. Bis zur "Corona-Pause" gelang eine Stabilisierung, enttäuschte man nur beim 0:1 in Münster. Dagegen hielten das 3:0 gegen Ingolstadt und Braunschweig die Hoffnungen am Leben, der FCH ging als 8. mit nur 3 Punkten zum Dritten und Zweiten in die Zeit bis Ende Mai. Als eine der ersten Mannschaften wurde das Training wieder aufgenommen, auf eine Fortsetzung der Saison plädiert.
Aus den weiteren 10 Begegnungen wurden weitere 18 Punkte geholt. Dabei war der Auftakt nicht verheißungsvoll. In Zwickau beim 2:2 wurde ein 2:0 noch verspielt, gegen Mannheim im Duell gegen einen Mitkonkurrenten kurz vor Ende verloren. Dass man dennoch dran blieb, ist 4 Siegen im Anschluss zu verdanken. Bei den aufstrebenden Meppenern und 60ern gelang ein 3:0 und 1:0, zu Hause wurden die "Ost-Klassiker" gegen Magdeburg (3:1), Jena (4:0) gewonnen. Nach 2 Remis ging es zum "Endspiel" nach Würzburg. Der Sieg für den erstmaligen Sprung auf den direkten Platz nach oben wurde verpasst, die Kickers sicherten sich dieses. Das 1:0 gegen Uerdingen am Mittwoch nährte noch mal die Chancen auf die Relegation.
Im eigenen Stadion ist Hansa Spitzenreiter, konnte 11 Siege gegen 4 Niederlagen verbuchen. Holte somit 37 der 59 Punkte zu Hause. 31:16 Tore bedeuten zudem die beste Defensive auf eigenem Platz. Auswärts blieb etwas Luft nach oben, die Bilanz mit 6-4-8 und 21:23 Toren als 13. negativ. Oder anders, der direkte Aufstieg wurde als Gastmannschaft verspielt. Siehe der Auftritt in Würzburg.
Delegierungen seit dem Hinspiel:
Es wurde noch mal reagiert, allerdings nicht auf dem Trainerposten.
"6er" Jonas Hildebrandt (23/Essen) wechselte in die Regionalliga West, wurde in den 1 ½ Jahren bei Hansa nur selten in der Stammelf berücksichtigt. Rechtsaußen Osman Atilgan (20) sollte als "Leihgabe" von Zweitligist Dresden Spielpraxis sammeln. Kam aber nur zu 2 Kurzeinsätzen, ging wieder zurück. Mittelstürmer Marco Königs (29) kehrte nach Münster zurück, konnte sich in Rostock nicht dauerhaft etablieren. Ebenfalls zentrale Sturmspitze ist Elsamed Ramaj (24), der Albaner wurde zum VfB Lübeck in die Nord-Staffel ausgeliehen.
Linksaußen Nico Granatowski (28) kam aus Osnabrück, bis Saisonende. Beim VfL in der 2. Bundesliga nur sporadisch eingesetzt. Ebenfalls eine Etage höher kickt Daniel Hanslik (23/Kiel), der Deutsch-Pole kam zu 8 Minuten Spielpraxis bei den "Störchen". Zweck der Ausleihe nach Rostock klar. Dazu stiegen 2 Akteure aus der eigenen II. mit Oliver Daedlow (19) im offensiven Mittelfeld und Michel Ulrich (20) im Sturm auf. Ulrichs Empfehlung: 10 Tore in 16 Spielen der Oberliga Nordost Nord.
Alle Wechsel fanden in der Winterpause statt.
Die sportliche Leitung:
Jens Härtel (50) hat auch im Rückspiel das Sagen bei den Profis, er konnte den Negativtrend u. a. mit der Niederlage im Hinspiel wieder beenden. Keine Änderungen auch bei den beiden Co-Trainern mit Uwe Ehlers (45) und Ronny Thielemann (46). Dirk Orlishausen (37) betreut weiter die Torhüter. Als sportlicher Leiter fungiert seit dem 01.11.2019 Kevin Meinhardt (39), bekannt noch aus seiner Zeit beim CFC. Ex-Keeper Martin Pieckenhagen (48) bekleidet nach wie vor die Funktion des Vorstand Sport.
Das Kollektiv:
Im Tor blieb Markus Kolke (29) die klare Nr. 1 und erwies sich als die erhoffte Verstärkung. Wenig Chancen derzeit für Alexander Sebald (23) und Ben Voll (19). Kolke stand in allen Punktspielen im Tor, Seebald durfte 4-mal im Landespokal ran.
In der Abwehr wurde in dieser Saison immer mal zwischen Dreier– und Viererkette gewechselt. Als Innenverteidiger gelten Kapitän Julian Riedel (28), Sven Sonnenberg (21), der Italiener bzw. Südtiroler Max Reinthaler (25) als die gesetzten Spieler. Der kanadische Nationalspieler Adam Straith (29) blieb meist Ergänzungsspieler. Als rechter Verteidiger konnten sich Nico Neidhart (25/2) und Maximilian Ahlschwede (31/4) als gängige Optionen etablieren. Erster zudem mit 5 Vorlagen glänzen. Auf Links ist dies Nico Rieble (24).
Im defensiven Mittelfeld verdient Routinier Kai Bülow (34) – bestreitet am Samstag sein letztes Spiel als Profi – eine entsprechende Erwähnung. Die zentrale offensive Stelle sieht vor allem den Montenegriner Mirnes Pepic (24) vorn, war für 5 Treffer der Vorbereiter. Dazu kommen Dänemarks U21-Auswahlkicker Nikolas Nartey (20/1) – legte 4x auf – und Korbinian Vollmann (26/2). Auf der rechten Seite konnte sich Nils Butzen (27) wie erwartet durchsetzen, auch ein Mann für die rechte Seite in der Abwehrreihe. Links wird oft auf Lukas Scherff (24/1) gesetzt.
Im Angriff gibt es gleich 7 nominelle Stürmer. Klar vorne hier mit Pascal Breier (28) einer der Topspieler dieser 3. Liga. Er bietet starke 15 Treffer, zudem 5 Vorlagen. Damit an 20 der Rostocker Torerfolge beteiligt. Erzielte auch unseren Gegentreffer im Hinspiel, traf zuletzt zum Ehrentreffer in Würzburg. Talent Aaron Opoku (20/5) kommt dahinter mit dem Niederländer John Verhoek (31). Auch Daniel Hanslik (23/3) spielt eine ordentliche Saison, erhielt mit seinem Tor am Mittwoch gegen Uerdingen die Aufstiegshoffnungen. "Leihgabe" Nico Granatowski (28/2) erwies sich letztendlich nicht durchgängig als Stammkader wie der Slowene Nik Omladic (30/3). Ohne Chancen Erik Engelhardt (22) und Michel Ulrich (20).
Die Einkaufsbilanz:
22 Akteure kamen bis heute neu dazu, 20 vor der Winterpause.
Von den 20 konnten sich Markus Kolke (Wehen Wiesbaden), Nico Neidhart (Meppen), Sven Sonnenberg (1. FC Köln II), Kobinian Vollmann (Sandhausen), Nikolas Nartey (VfB Stuttgart), Nils Butzen (Magdeburg), John Verhoek (Duisburg), Aaron Opoku (Hamburger SV) durchgängig oder überwiegend als Stammspieler empfehlen. Kolke und Butzen wurden die erwarteten Eckpfeiler. Mit Nartey, Sonnenberg, Opoku erwiesen sich 3 junge Spieler erfreulicherweise als “guter Griff”.
Von den beiden externen “Winter-Neuzugängen” lief es für Daniel Hanslik (Kiel) deutlich besser als für Nico Granatowski (Osnabrück). Hanslik kam immerhin 9-mal in der Anfangself zum Einsatz und zu 3 Torerfolgen.
Der Rest konnte sich nicht durchsetzen, wobei 3 aus dem eigenen Nachwuchs kamen und als “Perspektivspieler” gelten. So gesehen ist die Bilanz insgesamt ganz gut.
Als “Fehlgriffe” dürften Osman Atilgan (Dynamo Dresden), Frederik Lach (Wattenscheid) gelten, die beiden recht schnell wieder gingen. Etwas mehr wurde sich vermutlich von Adam Straith (Lotte) und Nik Omladic (Fürth) versprochen.
Gewinner dieser Saison:
Markus Kolke könnte zum zweiten Mal innerhalb 1 Jahres in die 2. Bundesliga aufsteigen und dann höherklassig spielen als Ex-Verein SV Wehen Wiesbaden. Für die "Leihgaben" Opoku, Hanslik, Nartey, Vollmann erwies sich der "Schritt zurück" auf Leihbasis für mehr Spielpraxis als richtig.
Das Krankenlager / Strafbank / Parteistrafen:
Linksaußen Aaron Opoku (20) fiel in den letzten beiden Spielen wegen einer Fußprellung aus, könnte aber am Samstag zumindest wieder im Kader stehen. Nico Granatowski (29) auf der gleichen Position und auch derselben Blessur musste 3-mal pausieren, Einsatz am Wochenende hingegen eher unwahrscheinlich.
Nachwuchstalent Paul Wiese (19) bekam Anfang Juni Sonderurlaub für die Abi-Prüfungen, er kam allerdings auch bislang nicht zum Einsatz. Bzw. wenn dann in der II. Mannschaft.
Bilanz gegen den FC Hansa Rostock:
Mit bislang 72 Spielen lt. meinen Daten ist das Duell am Samstag eines der Klassiker im deutschen Fußball an sich. Die Bilanz spricht für uns mit 29 Siegen gegen 26 für die Hanseaten. 17 Begegnungen endeten ohne Sieger. An Toren liegt Hansa mit 98:93 vorn. In Chemnitz bzw. Karl-Marx-Stadt gewannen die Himmelblauen 21 Begegnungen, Hansa lediglich 6. Letztmalig siegten die Rostocker als Gast mit 2:0 am 20.09.1990 in der NOFV Oberliga Nordost mit der Relegation zur 1. und 2. Bundesliga. Das im ehemaligen "Ernst-Thälmann-Stadion" im Sportforum. An der Gellertstrasse selber liegt der letzte Sieg fast 40 Jahre zurück, am 19.09.1981 mit 4:2.
Perspektive für das Spieljahr:
Die Ausgangslage für das Erreichen der Relegation gegen den 1. FC Nürnberg ist klar, Hansa muss am Samstag bei uns gewinnen und gleichzeitig hoffen das Duisburg und Ingolstadt beide nicht gewinnen. Es ist zu vermuten, das am Ende 22 Spieler und beide Trainer die Köpfe hängen lassen.
Das Umfeld / Stimmung / Wirtschaft:
Für Hansa wäre der Aufstieg in die 2. Bundesliga fraglos der lang ersehnte wirtschaftliche Befreiungsschlag. Allein die deutlichen Mehreinnahmen an den TV-Geldern würden den Verein zumindest teilweise sanieren. Anfang Dezember 2019 betrugen die Verbindlichkeiten rund 24 Mio. €. 19 Mio. davon bei Investor Rolf Elgeti. Auch in Rostock war die Corona-Pandemie mit den bekannten Maßnahmen ein herber Einschnitt, konnte der z. B. positive Trend bei der Vermarktung des "Ostsee-Stadion" mit Live-Konzerten u. a. nicht fortgeführt werden.
Schmerzhaft auch die leeren Ränge angesichts des Zuspruchs, der weiter zweitligareif blieb. 10.099 Besucher im Schnitt waren Platz 5 in der Zuschauertabelle, allerdings ein veritabler Rückgang zu den 13.895 in der Vorsaison. Das letzte Heimspiel in "normalen Zeiten" gegen Eintracht Braunschweig zu einem der umstrittenen und ungeliebten Montagsspiele sahen 12.297. Den größten Andrang an den Stadionkassen brachte der Auftritt des FC Bayern München II mit 17.727, vor Halle bei 16.744 und Zwickau (16.517). Das Hinspiel mobilisierte 13.661. Die wenigsten interessierten sich für die Duelle gegen Vereine aus dem Süden. Unterhaching erlebten 10.981, Würzburg 11.020 und Großaspach 11.086. Zudem Vereine mit relativ wenig Gästefans.
Für die kommende Saison wurde die Lizenz für die 2. Bundesliga und 3. Liga beantragt und erhalten. Für die 3. Liga dabei erstmals seit der Zugehörigkeit ohne Auflagen und Bedingungen. Dabei verzichtete der DFB diesmal aufgrund der Corona-Pandemie mit ihren Auswirkungen auf die übliche Liquiditätsprüfung, diese wird dann im Oktober nachgeholt.
In der Chefetage gelang es, die lange vermisste und erforderliche Kontinuität nach einigen Wechselspielen in der Vergangenheit zu erreichen. So amtiert der aktuelle Vorstandsvorsitzende Robert Marien (38) bereits seit knapp 4 Jahren. Sein Vertrag wurde vom Aufsichtsrat bis Jahresende 2021 verlängert. Als sein erster Stellvertreter fungiert Christian Hüneburg (44), Vorstand für die Finanzen und Verwaltung und Martin Pieckenhagen (47) als Vorstand Sport.