Klassiker gegen Erfurter (fast) ohne Abstiegssorgen...
von Timo Görner
...denn der FC Rot-Weiß kann mit einem Sieg, eventuell aber schon mit einem Remis am Samstag den Klassenverbleib sicher machen; nach einer Spielzeit, die denkbar schlecht begann.
Die aktuelle Saison unseres Gegners bislang
Mit 40 Punkten nach 34 Spielen ist Erfurt nicht sicher, hat aber eine gute Ausgangsposition. Dass es in dieser Saison nach dem Umbruch im Kader mit wichtigen Abgängen schwerer werden würde, war allen Beteiligten klar.
Der Start aber erschreckte mit lediglich einem Zähler aus sechs Spielen (2:14 Tore) und der Platzierung am Tabellenende. In Wiesbaden und Halle (0:3) setzte es Klatschen, gegen Heidenheim (0:4) wurde man auf eigenem Rasen deklassiert. Nur gegen Stuttgart II (1:1) gelang Zählbares. Opfer der Entwicklung wurde wie so oft der Trainer. Der Trainer der A-Jugend ersetzte vorerst Stefan Emmerling. Christian Preußer (29) startete mit Remis in Aachen (1:1) und führte die Mannschaft zum ersten Sieg (Dortmund II/5:0). Alois Schwartz (46) wurde dann als offizielle Lösung installiert. Unter ihm konnten sich die Thüringer vorerst nicht befreien, doch zumindest einen (leichter) Aufwärtstrend zeigen. Auswärts gelangen wichtige Siege in Saarbrücken (2:0) und Darmstadt (1:0). Die beiden mitteldeutschen Duelle gegen den CFC (3:2) und zum Abschluss der Herbstrunde Halle (2:1) wurden im "Steigerwaldstadion" gewonnen. Soweit die Lichtblicke. Die Schatten aber blieben weiter haften: Von Runde 11 bis 13 kassierte RWE drei 0:3-Pleiten; zwei davon innerhalb einer Woche im eigenen Stadion gegen Burghausen und - besonders schmerzlich - die Stuttgarter Kickers. 13 Spiele, nur neun Punkte und Rang 19 waren ein erneuter Tiefpunkt nach der desaströsen Auftaktphase. Es folgte eine Phase der Stabilisierung und eine kleiner Serie von sechs Spielen ohne Niederlage. Allerdings hatten die Thüringer auch durch einen Spielausfall fünfmal Heimrecht. Gegen Babelsberg, Wehen Wiesbaden, Rostock gelangen jeweils nur Unentschieden. Gegen 03 musste Rot-Weiß jedoch einem 0:1 hinterher rennen und erzielte erst in der Nachspielzeit das 1:1. Ebenso gegen Halle, wo nach 0:1 das Siegtor in Minute 90 fiel.
In der Winterpause verließen vier Spieler den Verein, zwei kamen hinzu. Mit Heidenheim, Osnabrück und Bielefeld erwartete Rot-Weiß ein schweres Auftaktprogramm ins Frühjahr. Erinnerungen an den August 2012 wurden wach. Man verkaufte sich teuer, wurde in Heidenheim (1:2) auch durch eine fragwürdige Schiedsrichterleistung besiegt. Das 2:1 gegen Osnabrück war das Erfolgserlebnis dieser Ägide, punktelos blieb das Bielefeld-Gastspiel (0:2). Es blieb die "Schlafmützigkeit", in acht Spielen kassierte man sechsmal das 0:1, konnte aber zweimal das Spiel noch drehen. Der wiedererlangte Optimismus bekam der gegen Saarbrücken und der bitteren Niederlage im Sechspunktespiel (1:2) einen Knacks. Doch Erfurt zeigte Moral und holte aus den anschließenden neun Duellen solide 15 Zähler. In Offenbach (1:0) setzte man Zeichen und ließ bei den Kickers in Stuttgart (1:0) ein weiteres folgen. Mit dem "Pflichtsieg" gegen den "Trümmerhaufen Aachen" (3:1) im Nachholer wurde ein weiterer Baustein zum Erhalt der 3. Liga eingefügt. In den letzten 180 Minuten präsentierte man sich ordentlich, hielt Babelsberg (1:1/A) auf Distanz und knöpfte Aufstiegskandidat Münster mit dem gleichen Ergebnis zwei Punkte ab. Der CFC ist von den vier restlichen Gegnern bei einem Heimspiel der bestplatzierteste Gegner. In Dortmund und Darmstadt sollten Punkte machbar sein, man wird wohl entspannt zum Finale nach Rostock reisen.
Die Bilanz zu Hause ist unbefriedigend, der Saldo ausgeglichen mit 6 Siegen zu 6 Niederlagen. 24:27 Tore stellen der Defensive ein weniger gutes Zeugnis (17.) aus. Besser sieht es auf Reisen aus, 4 Siege wurden eingefahren, von denen insbesondere die in Offenbach und Stuttgart wichtig waren. Doch kein Team hat in der Fremde weniger Treffer erzielt, wobei RWE mit diesen 13 Toren immerhin 16 Punkte holte. 37:49 Tore insgesamt sprechen für eine durchschnittliche Offensive und eine anfällige Defensive (16.). Der aktuelle Platz 13 ist die bislang beste Platzierung. Nach 34 Spielen 2011/2012 hatte Erfurt 50 Zähler, heute 40.
Im Landespokal steht der FC Rot-Weiß im Finale. Möglicher Gegner ist Siebtligist SpVgg Siebleben 06 aus Gotha oder Sechstligist SV Schott Jena. Die Chancen den Pott nach drei Jahren wieder nach Erfurt zu holen, stehen sehr gut.
Delegierungen für diese Saison seit dem Hinspiel
Torwart Marcus Rickert (29) zog es zur Winterpause nach Osnabrück. Er wurde nach dem Ausfall des dortigen Stammkeepers verpflichtet. Rickert war bis Spieltag 13 gesetzt, wurde dann wieder durch Andreas Sponsel ersetzt. In der Abwehr trennte man sich vom belgischen Routinier Bernd Rauw (33), der ohne neuen Arbeitgeber ging. Auch Abwehrkollege Igor Jovanovic (23) ging im Januar 2013 ohne Perspektive bei RWE und Ziel. Bitter ist der Abgang von Tom Bertram (26). 2005 schaffte er mit 18 Jahren den Sprung aus der A-Jugend in den Profikader. Über Fürth und Paderborn kehrte er 2010 wieder nach Erfurt zurück. Nun musste Bertram wegen einer schweren Verletzung (Knorpelschaden) im März 2013 seine Laufbahn beenden. Mahmut Temür (23/Mittelfeld) wechselte nach vier Monaten und fünf Kurzeinsätze in die Regionalliga zum FC Homburg. Keiner ist ein schwerwiegender Abgang.
Für das Tor holte man nach dem Rickert-Abgang Manuel Salz (27), bis Ende 2011/2012 beim SC Freiburg II aktiv. Für die Abwehr kam zwei Tage nach dem CFC-Spiel Mitte November der Deutsch-Kroate Marko Kopilas (29). Wie Salz war er seit Ende der letzten Saison ohne Verein. Zuvor gehörte er Darmstadt an, wo seine 59 Zweitligaspiele von 2008 bis 2010 für Wehen Wiesbaden jedoch nicht für einen festen Platz in der Mannschaft genügten. Im Angriff wurde mit dem Dänen Morten Nielsen (23) nachgebessert. Er war seit knapp einem Jahr ohne Arbeitgeber und zuvor beim Erstligisten FC Midtjylland aktiv. 2006 ging er zur U18 des FC Chelsea London, es folgten 9 Vereinswechsel inklusive 3 "Ausleihen".
Der Trainer
Alois Schwartz (46) betreut die 1. Mannschaft seit mittlerweile etwas mehr als 7 Monaten. Sein Vertrag läuft noch bis Ende der kommenden Saison. Er wird unterstützt von den ehemaligen RWE-Aktiven Rudolf Zedi (38) und René Twardzik (42/Torwarttrainer).
Die Mannschaft
Nummer eins im Tor ist seit Spieltag 13 Andreas Sponsel (27), der Marcus Rickert ablöste. Sein Vertreter ist Philipp Mickel Klewin (19), der seine Sache bei sechs Einsätzen bislang sehr gut machte und erst drei Gegentore kassierte. Neuzugang Manuel Salz (27) fällt derzeit verletzt aus. Die Abwehr sieht Phil Ofosu-Ayeh (21), Joan Oumari (24), Jens Möckel (26) und Rafael Czichos (22) vorn. Das Gerüst der Erfurter Abwehr hat also junge Beine. Der gebürtige Erfurter Thomas Ströhl (24) hatte mit Verletzungspech zu kämpfen, konnte sich aber mehrmals für den Stamm empfehlen. Marko Kopilas (29) sah zum Debüt in Heidenheim nach 43 Minuten Rot und zählt seit Mitte März nicht mehr zum Kader. Im Mittelfeld herrscht die Routine vor. Kapitän Nils Pfingsten-Reddig (30) und Marco Engelhardt (32) bilden den Kern. Dazu kommt mit Kevin Möhwald (19) ein Neuzugang aus der A-Jugend, der sich einen Stammplatz erkämpfen konnte. 31 Spiele (2 Tore) stehen auf der Habenseite. Mit Marius Strangl (22) ist ein weiterer junger Akteur noch nicht soweit. Nils Pfingsten-Reddig (30) zeichnet für 15 Treffer direkt (10) und indirekt verantwortlich, acht durch Elfmeter. Engelhardt kam "nur" auf deren drei, ganz wichtig das 2:1 gegen Osnabrück. Für unseren Ex-Kicker Mario Fillinger (28) hat die Saison erst Anfang März begonnen. Nach fast neun Monaten Verletzungspause (Sprunggelenksverletzung) feierte er am 29. Spieltag in Offenbach sein Debüt. Neun Spiele stehen seitdem zu Buche, zwei davon in der Anfangsformation. Er war als Hoffnungsträger geholt worden, wurde leider erneut durch eine längere Verletzungspause ausgebremst. Im Angriff fehlt ein echter "Knipser". Der Franko-Marokkaner Smail Morabit (24) kommt auf sechs Torerfolge in 22 Einsätzen, fiel in der Herbstrunde sechs Wochen aus. Dominick Drexler (22) liegt mit vier Toren dahinter, hat seine Qualitäten wohl aber eher als Vorbereiter (8x). Beim Kroaten Mijo Tunjic (25) lautet die "Formel 4 + 2". Auch beim Deutsch-Türken und Ex-Jenenser Aykut Öztürk (25) fehlt die Top-Quote, auch hier wie bei Drexler aber eine sehr solide Bilanz als Vorlagengeber (6). Morten Nielsen (23/1/1) ist derzeit eher Ergänzungsspieler.
Mit 23 Spielern stellt Rot-Weiß einen eher kleinen und etwas jüngeren Kader, als der des CFC. Es gibt qualitativ sicherlich bessere Aufgebote in dieser Liga, aber die Thüringer haben auch keine "Gurkentruppe". Bitter ist, dass mit Drexler (Fürth) und Morabit (Bochum) erneut wichtige Spieler den Verein verlassen werden.
Die Einkaufsbilanz
15 Neuzugänge wurden bis heute verpflichtet, darunter fünf aus der eigenen A-Jugend. Von denen konnten sich Möckel, Czichos, Tunjic, Öztürk, Möhwald etablieren beziehungsweise über weite Strecken einen Stammplatz erkämpfen. Wie Eigengewächs Möhwald konnte auch U19-Neuzugang Klewin im Tor positiv überraschen. Ein echter Volltreffer fehlt aber. Im Angriff hatte man sich vor allem von Tunjic mehr versprochen. Er konnte den Abgang von Marcel Reichwein nicht kompensieren.
Gewinner der Saison bislang
Dominick Drexler (22) konnte sich mit 16 Toren seit 2010 für höhere Aufgaben empfehlen und erhielt einen Vertrag bei Erstligaabsteiger Greuther Fürth. Morabit gelang dies mit dem VfL Bochum. Ob sie sich dort durchsetzen werden können, bleibt abzuwarten. Kevin Möhwald (19) kam aus der guten A-Jugend der Erfurter und schaffte den Sprung in den Profikader. Den Erfurtern bleibt zu wünschen, dieses Talent nicht so schnell abgeben zu müssen.
Prognose
Die Erfurter sollten die fehlenden drei Punkte in den Spielen in Dortmund, Rostock oder gegen Darmstadt holen können. Eventuell reicht ja sogar ein Remis am Samstag. Das Problem dürfte eher die neue Saison werden.
Das Umfeld
Quo Vadis, RWE? Den Abstieg in die Tod bringende Regionalliga wird Erfurt wohl noch mal abwenden können. Das Ziel 2. Bundesliga bleibt mit den sich nicht verbesserten Rahmenbedingungen aber eher aktuell nicht erreichbar. Zumindest der Stadionumbau scheint nun in "trockenen Tüchern" zu sein. Ab Frühjahr 2014 soll das traditionsreiche "Steigerwaldstadion" in eine Multifunktionsarena verwandelt werden, in einem Jahr soll dies abgeschlossen sein. Die EU-Kommission stellt der Stadt dafür 29 Millionen EUR zur Verfügung - ein neidischer Blick Richtung Thüringen sei gestattet. Die Infrastruktur „Spielstätte“ ist damit perspektivisch gesichert. Sportlich sieht die Entwicklung der letzten Jahre schlechter aus: Orlishausen, Reichwein, Drexler, Morabit, Danso-Weidlich, Semmer, "Rückkehrer" Möckel (Dresden), Malura und Rockenbach – die Liste der Spieler, welche Erfurt in Richtung 2. Bundesliga in den letzten drei Jahren verlassen haben oder wie Manno zu einem Spitzenclub der 3. Liga (Osnabrück) gingen, ist lang und umfasst nahezu eine komplette Mannschaft. Das Abschneiden in dieser Spielzeit mit dem Rutsch von 5 auf 13 und dem wochenlangem Abstiegskampf ist kein Zufall. Stefan Emmerling musste den Sparkurs der Vereinsführung mittragen und scheiterte folgerichtig.
Der Etat für die aktuelle Saison beträgt 2,2 Millionen EUR für die Lizenzspielerabteilung und 3,4 Millionen EUR insgesamt. Damit liegt der FC Rot-Weiß eher am Ende der Fahnenstange. Eine Erhöhung für 2013/2014 war eher unwahrscheinlich, die Rede ist von 500.000 EUR weniger. Rolf Rombach führt den Verein nach wie vor, nach dem aufgrund massiver Kritik an seiner Person ein Rücktritt im Spätherbst 2012 nicht ausgeschlossen wurde.
Mit 4.756 Zuschauern im Schnitt liegt Erfurt knapp vor dem CFC, auch damit ist die Vereinsführung nicht zufrieden. Der Rückgang gegenüber 5.930 der Vorsaison und vor allem 6.557 von vor 2 Jahren ist stark und einer der Gründe, warum das finanzielle Polster bei Thüringens Nummer eins tendenziell kleiner geworden ist. Die beiden Stuttgarter Vereine riefen das geringste Interesse hervor (VfB II: 3.800/Kickers: 3.900). Hansa Rostock lockte hingegen 9.100 in die Arena. Es war der einzig richtig gute Besuch dieser Saison. Der CFC mobilisierte 5.500, Halle 5.000. Münster sahen am vergangenen Wochenende 4.500 zahlende Fußballfreunde, darunter laut WDR knapp 600 Preußen-Fans. Der Abstiegskampf hat die Ränge ein wenig leerer gemacht.