Neuauflage des Vorjahresfinals...
von Timo Görner
...gegen einen Kontrahenten, der sich sportlich und finanziell zum Zeitpunkt des ersten Termins am Abgrund befand und mittlerweile den berüchtigten Schritt weiter ist.
Die aktuelle Saison des FC Sachsen bislang
Nach der Herbstrunde war klar, dass der Klassenerhalt ein immenser Erfolg werden würde. Aus den verbleibenden 16 Spielen waren mindestens 28 Punkte, eher 30 Punkte zu holen. Finanziell drohte wieder einmal und mehr denn der Kollaps. Es waren keine Verstärkungen in Sicht und neue Spieler nur durch Abgänge machbar. Schwachpunkt der Hinrunde war die Offensive. Nur 8 Torerfolge war das schwächste Ergebnis aller 53 Viertligisten.
Bis Mitte der Hinrunde hielt sich der FC Sachsen noch ganz gut. Nach 10 Spieltagen stand Platz 13 zu Buche, die Defensive (10 Gegentore) präsentierte sich einigermaßen regionalligatauglich. Die Hoffnungen auf das "Wunder Klassenerhalt" wurden in den 8 Partien bis zur Winterpause zerstört. Es hagelte Heimniederlagen gegen Altona (1:3), Oberneuland (0:3) und den HFC (0:4). Bei Türkiyemspor (0:2) wie beim CFC (1:2) gab es ebenso nichts zu holen. Lichtblicke waren nur die zwei Remis gegen die Spitzenteams Kiel (1:1/A) und Babelsberg (0:0/H).
Zum Jahreswechsel standen die „Chemiker“ vor einem 8 Punkterückstand auf den rettenden Rang 14. Im Kader wurde ausgemistet und Spieler fortgeschickt, damit Neuzugänge möglichen wurden, für deren Spielgenehmigung man auf die Nachsicht des DFB hoffen musste. Aussichten auf Zwangsausstiege anderer Vereine wie Altona oder Türkiyemspor entbehrten nicht einer gewissen Ironie.
Der Start in die entscheidenden Wochen der Saison verlief durchwachsen, Hertha BSC (1:1) wurde im Zentralstadion nicht besiegt. Dazu kam der Insolvenzantrag gegen den Verein durch das Finanzamt kurz zuvor. Der Optimismus der Verantwortlichen wurde am folgenden Mittwoch durch den eigenen Antrag konterkariert. Nach den 90 Minuten stand man damit als Absteiger fest.
Doch die Mannschaft bewies Moral, fuhr im Spiel in Wolfsburg den 3. Sieg ein (1:0). Gespielt wurde folgend nur auswärts, in Rostock (2:3) hielt Leipzig voll dagegen und rettete mit zeitweise 8 gegen 11 Spieler in Lübeck ein 1:1. Auch die "Generalprobe" für den Dienstag wurde erfolgreich absolviert, Wilhelmshaven erlitt in Leipzig seine 7. Niederlage in Folge (1:3). Es ist kaum zu glauben, dass jetzt die sportliche Rettung sogar wieder durchaus machbar wäre.
16 erzielte Tore sind nach wie vor Minusrekord der 3 Regionalligen. 32 Gegentore ergeben zumindest die Note „Befriedigend“. Als zweitheimschwächstes Kollektiv mit 10 Punkten und nur 2 Siegen ist man auf Reisen vergleichsweise etwas erfolgreicher.
Bilanz im Sachsenpokal 2008/2009
Im Pokal lief es besser als in der Liga. In Runde 1 mühte sich Sachsen Leipzig beim ehemaligen und eventuell zukünftigen Staffelkonkurrenten Borea Dresden zu einem Sieg nach Verlängerung (1:1) und Elfmeterschießen (6:5). Im Achtelfinale wiederum gelang nach dem Zwickauer Sieg gegen Dresden die zweite Überraschung dieses Jahrgangs: Drittligist Erzgebirge Aue wurde nicht unverdient im Zentralstadion mit 1:0 n. V. besiegt. Diese Partie war einer der wenigen Lichtblicke dieser Spielzeit.
Delegierungen seit Beginn der Saison
Es gab ein paar Veränderungen und es ist möglich, dass es auch bis Dienstag noch Neues aus der Personalabteilung gibt. Die Mittelfeldspieler Patrick Petzold (28) und Norman Lee Ganda (23) wechselten zum FC Eilenburg. Für Petzold blieb der FC Sachsen nach einem halben Jahr ohne Einsatz in der 1. Mannschaft eine "Fußnote", Lee Ganda stand nur in 2 Spielen in der Startelf und ist einer der Enttäuschungen. Der Italiener Salvatore Rogoli (28) schlug nicht ein und verscherzte es sich mit den Verantwortlichen nach einer Wette von 10 EUR gegen die eigene Mannschaft vor dem Hannover-Heimspiel. Seine Bilanz: 14 Spiele, 0 Tore. Ihn zog es in der Winterpause zu Grün-Weiß Wolfen (Oberliga), wo er als "guter Griff" gilt. Nach dem Insolvenzantrag und der Arbeitslosigkeit zum 01.04.2009 rechnete man mit weiteren Abgängen. Der US-Amerikaner Sam Brill (22/Mittelfeld), erst im Februar vom MSL Club New England Revolution gekommen, ging nach 2 Spielen bereits wieder. Danny Moses (27/Mittelfeld) hat ebenfalls sein Engagement beendet und hält sich zur Zeit bei seinem Ex-Club FSV Zwickau fit.
5 Akteure sind bzw. waren neu. Mittelfeldspieler und "Wandervogel" Heiner Backhaus (27) heuerte aus China (Kitchee SC) kommend an. Mit 27 blickt er auf eine bewegte Vergangenheit zurück: 2001 von der Werder U19 nach Essen gegangen, waren unter anderem Union Berlin, Bielefeld, Offenbach, Mönchengladbach, AEK Larnaka (Griechenland), Valetta FC (Malta) und Hannover 96 seine Stationen. Den richtigen Durchbruch schaffte er zumindest in Deutschland bislang nicht. Paul Schinke (17) kommt aus der eigenen A-Jugend und schnupperte Ende der Herbstrunde bereits Regionalligaluft (2 Kurzeinsätze). Für den Angriff kam mit den italienischen Brüdern Nicola (19) und Adriano Grimaldi (17) ein "Doppelpack" vom SCW Göttingen aus der fünftklassigen Niedersachsenliga. Die Bilanz von Nicola: 14 Spiele - 3 Tore. Adriano: 8 Einsätze - 1 Treffer. Die dringend benötigten "Knipser" sind wohl beide nicht, interessant dürfte ihr Auftreten in der 4. Liga dennoch werden.
Der Trainer
Dirk Heyne (51) musste seinen "begrenzten Optimismus" in Sachen Klassenverbleib nach nur 1 Spiel wieder begraben. Co-Trainer und "Aufstiegsheld" Michael Breitkopf (47) droht gesundheitsbedingt der Ausstieg aus diesem Amt. Er könnte Sportdirektor werden. Assistent Nr. 2 ist mit Jamal Engel (38) übrigens der Filius des bekannten ehemaligen DDR-Auswahltrainers Frank Engel. Heyne will den Neuaufbau der Mannschaft in der Oberliga angehen und dürfte dafür durchaus kein schlechter Kandidat sein, siehe sein durchaus erfolgreiches Wirken in gleicher Mission beim 1. FC Magdeburg.
Die Mannschaft
Daniel Lippmann (26) ist nach einigen guten Leistungen im bisherigen Saisonverlauf die klare Nummer 1 zwischen den Pfosten. In der Abwehr sind Kapitän Richard Baum (25), Martin Werner (21), Enrico Köckeritz (23) und der Kroate Ante Balic (25) feste Größen. Im Mittelfeld werden Ronny Garbuschewski (22), Sven Moritz (29), Kai Hempel (21), Daniel Rupf (22) in diese Kategorie eingeordnet. Gesetzt ist zudem der (ehemalige) Hoffnungsträger Heiner Backhaus (27), der jedoch den Club zum Saisonende definitiv wieder verlassen wird. Im Angriff ging es für den bis dato glücklosen und teils heftig kritisierten Nico Breitkopf (25) im Jahr 2009 aufwärts, es reichte zu 3 Treffern und einem Stammplatz. Adriano Grimaldi (18) war in Wolfsburg beim 1:0 der "Matchwinner", dürfte derzeit auch einen guten Stand bei Dirk Heyne haben. Seit Spieltag 11 wartet Thomas Hönemann (28) auf Tor Nummer 3. Timo Breitkopf (20) und Nicola Grimaldi (19) blieben noch ohne Erfolgserlebnis.
Die Grimaldis sind übrigens nicht arbeitslos gemeldet, erhalten pro Monat eine schmale Aufwandsentschädigung. Die Beiden spielen im Konzept für den Start in der Oberliga eine wichtige Rolle und sollen gehalten werden. Mit der Arbeitslosigkeit zum 01.04.2009 gab es einen Streitpunkt: die Absicherung der Kicker. Aktueller Stand ist eine private Krankenversicherung die allerdings erst ab 20% Berufsunfähigkeit greift. Kreuzbandrisse sind damit zum Beispiel nicht abgedeckt. Somit gehen die Spieler ein entsprechendes Risiko.
Das Umfeld
Mit dem Insolvenzantrag wenige Tage nach dem Hertha-Spiel steht es nun 2:2 im Leipziger Fußball. Der VfB überlebte die 2. Insolvenz bekanntlich nicht und ist nicht mehr existent. An der Spitze des Clubs steht nun Insolvenzverwalter Heiko Kratz. Er bemüht sich um einen sauberen Abschluss des Konkursverfahrens und den möglichen Neubeginn in Liga 5. Die Tendenzen sind derzeit nicht deutlich auszumachen, ein endgültiges Aus für den FC Sachsen erscheint aber durchaus denkbar. Ein Gewinn des Sachsenpokals mit der Garantiesumme von 100.000 EUR in der 1. DFB-Pokal-Hauptrunde zuzüglich der Einnahmen durch einen vielleicht lukrativen Gegner aus Liga 1 dürfte für den Verein aus der Messestadt überlebenswichtig werden. Für Kratz ist die aktuelle Aufgabe eine enorm schwere. Es geht darum, genug Geld zusammenzubekommen um die Gläubiger entsprechend befriedigen zu können.
Die umstrittene Heimstätte "Zentralstadion" wird wohl nach Ende der Saison Geschichte sein. Die Rückkehr in den "Alfred-Kunze-Sportpark" gilt als sicher. Bei einem Zuschauerschnitt von rund 3.300 hatte die WM-Schüssel neben dem finanziellen Aspekt auch wenig mit einem entsprechenden Rückhalt im Abstiegskampf gemein. Das letzte Heimspiel gegen Wilhelmshaven wollten noch 1.536 sehen.
Der FC Sachsen steht vor einem Scherbenhaufen. Diesen zusammenzufegen und ein neues Fundament zu errichten, erscheint wesentlich schwerer als bei der 1. Insolvenz...wie damals beim VfB.
